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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Wetzel, Ines: Über Wohnen und Wohnlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0056

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40

INNEN-DEKORATION

wenn doch, so hatten wir uns
an die Dinge gewöhnt und
konnten sie darum nicht missen.
Erst als die Industrie dann
Odigkeit und Unschönheit in
unseren Wohnungen gänzlich
heimisch machte, kam endlich
die Erkenntnis und mit ihr zu-
gleich setzten kraftvolle Reform-
versuche ein. Heute hat sich
die Raumkunst vollwertige An-
erkennung verschafft, aber noch
beda>f es der Überwindung
großer Schwierigkeiten ehe diese
Raumkunst uns eine Wohnlich-
keit gegeben hat, die, unserer
Eigenart entsprechend, frei ist
von .Gefühlsduselei und skla-
vischer Nachahmungsödigkeit;
die vor allem aber — und das
ist das aller wesentlichste —,
allen unseren Wohnungen zu
gute kommt, ohne linterschied.
— Wohnlich ist ein Raum,
wenn zwischen Wohnung
und Bewohner ein Kontakt
besteht. WenndieGegenstände
mir beim Betreten meiner Woh-

nung bescheidene Glückserinnerungen aus-
lösen an gut befriedigte Wünsche meines
äußeren Lebens; wenn jener Sessel oder dieses
Ruhelager meiner Müdigkeit nach der Arbeit
und Aufregung draußen, wohlausgekostete
Ruhe- und Erholungsmomente zurückruft
und aufs neue verspricht; wenn ein gut
beleuchteter, bequemer Stuhl bei meinen
Büchern mir von glückvollen Lese^tunden
Kunde gibt; wenn der Blick, den Eßtisch
streifend, die Erinnerung an behagliche
Mahlzeiten in mir wach werden läßt; wenn
mir der Schreibtisch am hellen Fenster-
platz von meinen Briefen und Arbeiten
dort erzählt, kurz wenn in dieser Weise
meine eigenste Wesenheit Zwiesprache hält
mit meiner Umgebung, dann fühle ich die
Wohnlichkeit des Raumes. Nur wo leben-
dige Beziehungen zwischen Wohnung und Be-
wohner bestehen, ist Wärme, wo diese fehlen,
bin ich im eigenen Haus ein Fremdling und
es gibt viele Menschen, die bei sich selbst
nie zu Hause sind. — Es wäre irrig, wollte
man den Begriff des Wohnlichen von ge-
wissen Voraussetzungen des Besitzes oder
der Bildung des Bewohners, oder selbst von
der Stilart und Stilreinheit der Einrichtung
abhängig machen. Wohnlich kann
das Küchenzimmer und das Arbeiter-
haus so gut wie die Bürgerwoh-
nung und das Eigenhaus sein. Weder

AKC.Il. CARL WITZMANN — WIEN.

TOII.KTTK-TISCII UNI) SCHRANKE Ars DEM SCH I. A K-/.1 M MKK.
 
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