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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Wetzel, Ines: Über Wohnen und Wohnlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0058

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42

INN EN-DEKORATION

ARCHITEKT CARL
WITZHANN - WIEN.

SCHLAF-ZIMMER
EIN KS MAUC m-;*s.

sei hier noch ganz besonders der Quintessenz aller
Unwohnlichkeit und Unverstandenheit des »bürgerlichen
Salons« Erwähnung getan. Er, mit seiner stereotypen
rosa-seidenen Salongarnitur mit moosgrünen Plüsch-
Wülsten, seinem Nippesschränkchen sowie dem ominösen
Damenschreibtisch, seinen l'ber- und Untervorhängen
und den Büchern in »Prachteinband« auf dem blanken
Salontisch, er ist das Sanktum des Hauses: An Wochen-
tagen nie betreten, außer zu Zwecken des Putzens, nie
geheizt und ängstlich vor jedem Sonnenstrahl gehütet,
ist er stets von einer frostigen und unbewohnten
Atmosphäre erfüllt. Gelegentlich als willkommener
stiller Platz zum Ausderhandlegen der Sonntagskleider
und Hüte benutzt, bietet er dem Besucher wohl kaum
einen freundlichen Eindruck, besonders nicht, wenn
vielleicht auch noch frisch gebackene Obstkuchen zum
Auskühlen auf dem Sofa stehen und der Ahnungslose
sich im unbestimmten Dämmerlicht mitten hineinsetzt,
wie mir dies einst passierte; es waren damals Heidel-
beeren darauf! — Diese wunderliche Kombination von
Prunkzimmer und Abstellraum kennzeichnet die Art des
Wohnens in vielen bürgerlichen Familien vollauf. Be-

schränkung und Einschränkung aut der einen Seite,
falsche Pracht auf der anderen. Schlaf- und Kinder-
zimmer nach dem Hof, ohne Sonne und Euft, aber
um jeden Preis ein »gutes Zimmer«. Alles Behagen,
alle hygienischen Rücksichten der Familie bleiben außer
Betracht, wo diese die Scheineleganz in Frage stellen.

Aus all dem aufgeführten Material geht deutlich her-
vor, daß, abgesehen von dem Begriff wohnlicher Raum-
gestaltung auch die »Kunst des Wohnens« bei uns noch
nicht Allgemeingut geworden ist. Wie oft scheitert diese
Kunst vor allem an der Putz- und Schonwut unserer Haus-
frauen. Das Mißverhältnis zwischen Schein und Wirklich-
keit zwingt in vielen Fällen die Hausfrau zu den bar-
barischsten Maßregeln. Die Unzulänglichkeit der notwen-
digen Nebenräume, die Zahl der Zimmer im Verhältnis zu
den verfügbaren häuslichen Arbeitskräften, alles steht oft
im Widerspruch mit einander und macht die gute Organi-
sation des Haushaltbetriebes, eine wichtige Grundfrage
der Wohnlichkeit, trotz aller Anstrengung, unmöglich.
Auch des kiankhaften Putz- und Schonfanatismus
sei hier besonders Erwähnung getan, ebenfalls im Zu-
sammenhang mit dem durch ihn so stark beeinträchtigten
 
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