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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Wetzel, Ines: Über Wohnen und Wohnlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0062

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46

INNEN-DEKORATION

professor
j. hoffmann
u. koloman
moser -wien.

(;edeckter
tisch mit
vasen und
| ar dinieren,
ausf.: wiener
werkstatte.

somit im engsten
unsres Volkes zu

versuch. Eine Gesundung aber wird meines Erachtens
erst kommen, wenn neue Geschlechter herangewachsen
sind, die mit neuen Ideen groß geworden, frei sein werden
von falscher Pietät und Gedankenlosigkeit. Sie erst
werden ihre Heimstätten in verständiger Sachlichkeit
und klarer Erkenntnis mit Harmonie und Zweckmäßig-
keit erfüllen. Die Wohnfrage steht
Zusammenhang mit der Erziehung
Wahrheit und Schönheit. Erst
wenn in jeder Schule das Kind
durch Beispiel und Gegenbeispiel
sehen und erkennen lernt, was
echt und falsch, was zweckdien-
lich und überflüssig, was schön und
unschön, dann ist Hoffnung, daß
aus unseren Wohnungen end-
gültig Plunder und Falschheit ver-
schwinden. Dann wird im ein-
fachsten Raum mit den elemen-
tarsten Nutzmöbelstücken sachliche
Wohnlichkeit geschaffen werden.
Auf die notwendigen Änderungen
der wirtschaftlichen Verhältnisse,
die mit der besseren Wohnlichkeit
ganz besonders der Arbeiterwoh-
nung im Zusammenhang stehen,
ist hier nicht der Platz näher ein-
zugehen. Besonders betont sei
nur, daß gerade dem arbeitenden
Mann des Volkes ein zweckdien-
liches und wohnliches Heim vor
allem notwendig und jede Bestre-
bung ihm dazu zu verhelfen von
segensreicher Wirkung für die Allge-

JOSEF HOFFMANN WIEN. BLUMKN-HEHALTER

meinheit ist. Vor allem berufen aber als die Ver-
breiterin und Schöpferin echter Wohnlichkeit
ist — die Frau. Ihrer ganzen Natur nach steht sie dem
Gegenständlichen näher und erkennt den Zusammenhang
zwischen sich und ihrer Umgebung intensiver als der Mann.
Alles was um sie ist wird Teil ihrer erweiterten Persönlich-
keit, deshalb ist sie eben für die Raumgestaltung eine
Macht, im Guten wie im Bösen. Wo ihre Erziehung sie
somit ausrüstet mit Wissen und
Erkennen, wo durch dieses Wissen
ihr Empfinden gesteigert und ver-
edelt wird, da ist der Weg frei für
alles Gute und Verständige, wo
dies nicht ist, da finden Hohlheit
und Gedankenlosigkeit bleibende
Stätten. Hier also gilt es ein-
zusetzen im Kampf gegen die Ab-
surditäten unsrer Wohngebräuche.
Wenn die Frauen aller Stände erst
über eignes Verständnis und per-
sönliche Vertiefung verfügen, dann
wird ihr Geschmack auch den
Industriemarkt beherrschen, wie
jetzt ihr Ungeschmack ihn be-
herrscht. Sie sind dort die
Hauptkonsumenten und bestimmen
zweifellos durch die Nachfrage das
Angebot. — Dann wird weise
Beschränkung an Stelle protziger
Überladung, ehrliche Sachlichkeit
an Stelle verlogenen Scheines
treten und unsere Heimstätten
werden das Kennzeichen eines
hohen Kulturstandes sein. —
 
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