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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Utitz, Emil: Material, Form, Farbe in der Wohnungskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0075

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INNEN-DEKORATION

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da ihm das übersprudelnde Temperament
der Südländer fehlt, vermag er nicht die
großen Gesten mit wahrem Leben auszu-
füllen ; kurz, sie wirken an ihm falsch
pathetisch, unecht und äußerlich. Ganz
Ähnliches gilt von dem oben gerügten Nach-
jagen nach fremden, wesensverschiedenen
Typen. Man belegte z. B. den Waschtisch
aus Reinlichkeitsgründen mit Marmor; zu-
gleich ergab dies eine vornehme Wirkung.
Wo nun das Geld für Marmor fehlte, wollte
man doch diesem Muster nicht untreu wer-
den. Man bediente sich also marmorierten
Holzes oder Papiers. Den Reinlichkeits-
gründen geschah natürlich gar nicht mehr
Genüge, aber auch die vornehme Wirkung —
auf die man ja hauptsächlich abzielte und
der man die praktische Zweckmäßigkeit ruhig
opferte — war dahin, ja ärmlich sah das
Ganze aus, weil hier eben Vornehmheit mit
falschen Mitteln angestrebt wurde. — So
stiftete und stiftet dieser einheitliche Wohnungs-
typus die lächerlichsten, aber auch die trau-
rigsten Verwirrungen. Ein derartiger Typus
ist von vornherein unsinnig, weil er ja nach
dem jeweiligen Bedürfnis wechseln muß.
Er darf nicht in dogmatischer Starre ver-

PROFESSOR RICHARD R1EMF.RSCHMID. ZIERSCHRANK.

einheitliche Raumstimmung. Einheit in der
Vielheit des Kunstwerks ist lediglich dort
gewahrt, wo alles in gleicher Richtung wirkt,
nicht aber wo alles kämpfend sich zerfleischt.
Da schwindet die Einheit, und Unruhe
macht ihr Platz. Und nichts schlimmeres
kann man der Raumkunst nachsagen, als daß
sie unruhig wirkt. — Damit hängt noch eine
andere Frage eng zusammen, die ebenfalls
letzten Grundes auf das falsche Typisieren
znrückzuführen ist. Ich muß da an ganz
bekannte, jedermann geläufige Tatsachen er-
innern. Noch vor wenigen Jahren bestimmte
die Wohnungseinrichtung das Schloß. Man
wollte »fürstlich« wohnen. Da aber dazu
die Mittel fehlten, ahmte man diese wesens-
fremden Typen nach, vergröberte und ver-
billigte sie, scheute nicht vor Fälschungen
schlimmster Art zurück und schuf so etwas,
das — ärmlich wirken mußte, weil die
großen Geberden, denen man nachstrebte,
auf anderen Grundlagen sich aufbauten, also
hohl, leer, ja lügenhaft aussahen. Ich will
hier ein Beispiel aus dem Leben anführen:
wenn ein Nordländer längere Zeit in Süd-
Italien oder Spanien lebt, kommt er leicht
dazu, die gewaltige Mimik der dortigen Be-
völkerung sich zu eigen zu machen. Doch

PROF. RICHARD R1EMERSCHM1D MÜNCHEN.

VERSTELLBAR F. DOI'l'EI.- I'ULTE.
 
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