Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

DOI Artikel:
Graf, L.: Japankunst und Innen-Dekoration: Das Prinzip der Einheit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATIüN

73

ARCHITEKT M. a. NICOLAI - MÜGELN.

Wintergarten mit Korbmöbeln.

und höheren Gesichtspunkten untergeordnet werden,
wie der Mensch erst durch Erziehung und Beherrschung
der natürlichen Triebe zum gebildeten Menschen wird.
Ganz bestimmten Stilen, die schon in der Schule ge-
lehrt werden und in umfangreichen Lehrbüchern be-
handelt sind, hat man sich auch hier unterworfen.
Ja, die Bedeutung manches bekannten Malers liegt
lediglich in der Erfindung einer neuen Arrangiermög-
lichkeit. Manche Stunde des Tages bringt die Japanerin
damit zu, Pflaumen-, Kirschblüten und Chrysanthemen
mit Reisern und Gräsern, wie die Jahreszeit sie bietet,
so einzuordnen, daß die Linienwirkung des Ganzen
den Beifall des Gastes finde, denn nur in der Linien-
wirkung und nicht in dem dichtgedrängten, vielfältigen
Gemisch bunter Blüten erblickt man die Vollendung.
Gewöhnlich sind es Systeme von 3 oder 5 Linien, die
zu vereinigen sind. Dabei sind jedoch viele Regeln
zu beachten, die auch nur in der Hauptsache anzuführen
den Rahmen dieser Ausführungen weit überschreiten
würde. Im allgemeinen darf keine Linie der anderen
parallel laufen oder sie schneiden — auch soll die
gleiche Länge zweier Teile vermieden werden. Trotz
der einengenden Regeln jedoch kommen durch die
Verschiedenheit des Materials reizvolle Gesamtwirkungen
zustande, die noch mannigfaltiger gestaltet werden da-
durch, daß die ganzen Arrangements, aus kunstvollen
Korbvasen heraushängend, den Pfosten des Tokonomas
zieren. Alle Reisende sind sich einig über den Reiz
der japanischen Blumenkunst und Blumenkultur. Es
'uuß den Europäer aber auch eigen berühren, zu sehen,
wie die Blume dekorativ wirksam gemacht, wie in ihrer

Aufmachung die Linie wirken kann. Wie viel un-
günstiger liegen die Verhältnisse bei unsl Wie manche
Vase hat noch nie Blumenschmuck gehabt, und wie
meinte manche Hausfrau genug getan zu haben, wenn
sie zum Sonntag einen Strauß, möglichst groß und
bunt, in einer Jahrmarktsvase auf den Tisch stellte.
Wir lieben die Natur so sehr, daß wir möglichst viel
von ihr um uns haben möchten, statt eine schöne
Einheit aus der Natur auf uns wirken zu lassen. Ich
verkenne nicht, daß sich auch da schon Besserung
eingestellt hat; die Künstler haben nach dem Prinzip
des Wenigen aber Schönen anregend gewirkt, und ein
Kreis um sie teilt diese Ansicht von der Wirkung der
einzelnen schönen Blume. Ich erinnere mich lebhaft
der Wirkung einer einzelnen Mohnblume, die in einer
Sitzung der Gesellschaft für ästhetische Kultur in
Frankfurt a. M. den Tisch schmückte. Nun gilt es,
die Masse für diesen Eindruck empfänglich machen;
dann wird es ein Leichtes sein, die Menschenkinder,
die ins Freie eilen, zu lehren, nicht wahllos ihren
■p Feldstrauß« zu pflücken und zu binden.

Gerade hier können nicht Worte, sondern nur Bei-
spiele zur Nachahmung reizen: Geben wir also nach-
ahmenswerte Vorbilder, solche, die von dem japanischen
Brauch das Prinzip der Einheit und Schönheit entlehnt
und dann mit Geist vor unserem Geiste sich lebensfähig
und wirksam für uns gemacht haben. l. geaf.

In einer vor kurzer Zeit von dem Importhaus Lürman in Frank-
furt a. M. veranstalteten Ausstellung von japanischen Kunsterzeug-
nissen, besonders von Farb-IIolzschnitten, war Gelegenheit geboten,
von diesem Gesichtspunkt aus die japanische Dekoration zu studieren.

1909. II. 4.
 
Annotationen