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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Ungethüm, Hans: Über Komposition
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0120

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102

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT GEORG MET/.ENDORF — ESSEN.

Musikpavillon im Garten.

Vielheit des Kompositionsobjektes zur Einheit macht.
Und das leitet auf das zweite Gesetz von der Kompo-
sition im Räume über — das ist das Gesetz von
der Totalität der Erscheinung.

Und nun einen Schritt weiter. Was verbunden ist,
lebt noch lange nicht. Damit Verbundenes lebendig
wird, muß es zusammengehörig sein. Was macht
nun diese Zusammengehörigkeit aus? Das ist sehr schwer
zu sagen. Wohl schreiben wir einzelne Rahmengesetze
dafür vor, aber innerhalb derselben schaltet und waltet
die Phantasie des Künstlers vollkommen frei.

Es muß ein gewisses Verhältnis von erfülltem zu
nicht erfülltem Räume, eine gewisse Proportionalität in
der Austeilung der Massen — ein Ineinanderstimmen der
Farben, eine der Bestimmung des Raumes entsprechende
Sachlichkeit des Liniengefüges der Silhouetten vorhanden
sein, ja — aber das ist noch nicht der Schöpfung Ende.
Hier endet nur das Reich des Gesetzmäßigen wo die
Kraft des Meisters einsetzt, um das Verbundene zum
Zusammengehörigen zu erheben, d. h. Organisch zu ver-
binden. Und so kommen wir endlich auf das Gesetz
von der Hörigkeit der Teile zum Zwecke der
Zusammengehörigkeit des Ganzen.

Natürlich kann diese Belebung einen sehr verschie-
denen Grad von Intensität erreichen. Gerade so wie
man eine Anzahl von Ziffern auf dem Wege der Addition,
der Multiplikation oder der Potenzierung zu einer Summe,
einem Produkt oder einer Potenz umformen kann, so
kann man auch die einzelnen Wirkungswerte in einer Art

künstlerischen Stufenleiter, je nach dem Grade seiner
Befähigung summieren, multiplizieren oder potenzieren.
Auf Grund dieser Erkenntnis würden wir das letzt-
genannte Gesetz nun als die Hörigkeit der Teile zum
Zwecke der Zusammengehörigkeit des Ganzen mit dem
Ausdrucke der maximalsten Lebensintensität bezeichnen.

Wenn man des Abends einsam in seinem Zimmer
sitzt, so kommt es wohl vor, falls man über ein
warmes Empfinden für die Schönheit der Heimkultur
verfügt, daß der ganze Raum mit dem Pendelschlage
der Uhr zu atmen beginnt — der Raum lebt.

Daß Innenräume in uns Stimmungen auszulösen im-
stande sind, ist eine altbekannte Tatsache. Angst
und Grauen in einem alten Burggemach, eine Art an-
genehmes Heimatsempfmden, ein Gefühl des Geschützt-
seins in einem trauten Wohnraum. Eine festlich gehobene
Stimmung in dem imponierenden Festraume, eine ge-
mütliche Stimmung in einem Kneiplokal.

Die Gründe dafür sind hauptsächlich in den Ver-
haltnissen und Farben zu suchen. Beide üben auf die
Seele des Menschen einen großen Einfluß, wenn sie von
einer Meisterhand dirigiert werden. Nun ist es klar
und bedarf keiner weiteren Begründung, daß jeder Raum
bodenständig sein soll und die Mundart seiner Heimat
sprechen muß, daß die Spielart mit dem Zwecke
zusammengehen muß. — Das sind, wie ich glaube,
in vollzählig geschlossenem Reigen aufgeführt, die allge-
meinen Gesetze von der Komposition im Räume.

WIEN. DR. ING. HANS UNGETHÜM.
 
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