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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schulze, Otto: Sollen wir in die Höhe oder in die Breite bauen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0163

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INNEN-DEKORATION

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GEH. STADTBAU RAT LUDWIG HOFFMANN—BERLIN.

Spreeieald-Zimmer im Märkischen Museum.

bauen erachte ich nur da erbracht, wo der Baugrund
dem Boden mühsam abgerungen werden muß, so an
Berghängen und auf Bergkuppen. Bloße Bodenteuerung
sollte dem Bauherrn noch kein Recht geben, seinen
Baugrund nach der Höhe zu zehn- bis zwanzigmal zu
vervielfachen. Wenn ich hier, dem Programm der Zeit-
schrift gemäß, das künstlerische Moment meines Themas
naturgemäß zu allererst herausschälen muß, so kann
ich doch nicht umhin, der großen Gefahren zu gedenken,
die hohen Wohn- und Geschäftshäusern ständig drohen.
Es ist kein Geheimnis mehr, daß mancher amerikanische
Wolkenkratzer schon an die zwanzig Menschenopfer
gefordert hat, bevor er bezugsfähig war. Die Folgen
einer Feuersbrunst sind gar nicht auszudenken, nicht
minder die eines stärkeren Erdbebens, weil solche
Kolosse im Beharrungsvermögen der Trägheit wellen-
artige Bewegungen der Erdoberfläche trotz ihres Stahl-
gerippes gar nicht mitzumachen vermöchten.

Der unkünstlerische Eindruck überhoher Gebäude,
die im Straßenbilde in der Mehrzahl wären, würde
auch durch angemessene Straßenbreiten nur wenig
gemildert; ganz abgesehen davon, daß es wiederum
eine Bodenverschwendung sein würde, weil eben, in
der Umdrehung des Verhältnisses, dann lieber zu
gunsten einer niederigen Bauweise breitere resp. tiefere
Bebauungsflächen bei verhältnismäßig schmaleren Straßen
vernünftiger und künstlerischer gewesen wäre. Es ist
doch auch kein Geheimnis, daß die schönsten

italienischen Paläste in ihren Straßenfronten im Ver-
hältnis zur Bauhöhe dominierende Breiten haben, die
gleichsam mit der Straßenflucht ziehen, und daß die
schönsten deutschen Giebelhäuser aus der Renaissance
wie der Barocke diejenigen sind, deren Höhe über die
Frontbreite hinauswächst. Ihre Verjüngung oberhalb
der zwei bis drei, auch vier und fünf Stockwerke
verleiht dem Straßenbilde etwas Leichtes und Anmutiges,
einen wellenden Rhythmus mit dem Fluß des Straßen-
zuges. Die Schönheit des Straßenbildes ist absolut
nicht abhängig, wenigstens nicht in allererster Linie,
von sogenannten schönen Bauten, sondern zunächst
davon, daß die Bebauung im richtigen Verhältnis zur
Abmessung zur Straße steht. Schmale und hohe Häuser
ziemen mehr steigenden Straßen, breitere und niedrigere
dagegen mehr den ebenen, vor allen auch den so-
genannten Verkehrsstraßen.

Es ist mehr wie einmal als Grunderfordernis nach-
gewiesen worden, daß der Mensch zu seinen Werken
in einem, das mag banal klingen, menschlichen Ver-
hältnis bleiben muß, wohlverstanden: zu der Werkeinheit,
so zu dem Gebäude, denn Straße und Stadt sind schon
Vervielfachung, so zu dem Schiffe, denn die Flotte ist
wiederum nur ein Vielfaches. Es hätte so auch gar
keinen Sinn Räume zu schaffen, in denen sich der
Mensch verlöre, auch nach der Auslegung, daß der
einzelne Redner nicht mehr verstanden würde. Auch
das allergrößte Schiff wäre wertlos, wenn es dem mensch-
 
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