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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Utitz, Emil: STIL. Eine ästhetische Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0189

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INNEN-DEKORATION

167

er-
wir

stalten, ein Hervorheben des Wesentlichen und Charakte-
r'stischen im Interesse einer gesteigerten, ästhetischen
Wirkung, Am besten drückt dies vielleicht Goethe aus, der
zwar dem Schaffenden den Rat erteilt: »studiere Künstler
dle Natur!«, zugleich jedoch seine warnende Stimme er-
hebt: »Es ist aber keine Kleinigkeit, aus dem Gemeinen
das Edle zu entwickeln!« Unter dem Gemeinen ver-
steht er »das zufällig Wirkliche«, »an dem wir weder ein
Gesetz der Natur, noch der Freiheit für den Augenblick
entdecken.« Aisodas
Geringfügige und Be-
deutungslose fällt ab,
"nd in geläuterter
Reinheit erstrahlt das
eigentlichGehaltvolle;
das »Gesetz« tritt
deutlicher und unmit-
telbarer ins Bewußt-
*ein- Und wo uns
derartige schlacken-
de Werke entgegen-
treten , Wo die ins
■ewaltige weisenden
(;eberden uns
greifen, sprechen
andächtig von einer
K«nst »großen Stils«.
Nun wird es wohl
n°ch klarer gewor-
den sein, daß »Stil«
m diesem Sinne keine
Etlichen und ört-
lichen Grenzen hat.
Ues alten Ägypten
Und Griechenlands

bewundernswerte
Werke, die Renais-
sance und die deut-
schen klassischen
1:)enkmalebieten zahl-
lose Beispiele ausge-
legter Stilkunst. So
^erbürgt demnach die
Tatsache einer Stil-
ist durchaus keinen
"neuen« Stil, denn
Urn neu und alt han-
delt es sich hierbei
gar nicht. Letzten
kndes stilisiert jeder
bedeutende Künstler
und jede größere Kunstepoche, und so natürlich
auch die Kunst unserer Tage, die sich nun doch
Bföcklich aus manchen gefährlichen Sackgassen natura-
•'stischer Sklaverei gerettet hat.

2. Eine andere Bedeutung gewinnt »Stil«, wenn
wir dabei an plastischen, malerischen usw. Stil denken.
Hören wir etwa, eine Statue zeige klar plastischen Stil
So ist darunter zu verstehen, daß in ihr der Plastik
eigentümliches Wesen, ihre bestimmte Seinsart zum
deutlichen Ausdruck gelangen. Das Vorhandensein
°der der Mangel des Stils eines Kunstzweiges beruht
demnach auf der Befolgung oder Vernachlässigung der
lhm zukommenden Gesetzmäßigkeiten, deren Sonder-

ALFRED ALTHERR. SCHLAFZIMMER - SCHRANK. WEISS. SEIDENSCH L1KF
MIT EBENHOLZ. AUSFÜHRUNG: AUGUST SCHMIDT & CO.—ELBERFELD.

wesen den Materialbedingungen entwächst. Einige Bei-
spiele sollen etwaige Mißverständnisse zerstreuen: der
bekannte Impressionist Rosso versuchte in einem plasti-
schen Damenporträt das Flimmern der Sonnenstrahlen
auf dem Gesicht wiederzugeben und scheute auch davor
nicht zurück, bei einer Gruppe von zwei Menschen den
sie begleitenden Schatten plastisch darzustellen. Hier
liegt ganz klar ein Vermengen malerischen Stils mit
plastischem vor. Sehr viele der uns aus der Antike er-
haltenen Kunstwerke
sind römische Mar-
morkopien nach ver-
loren gegangenen,
griechischen Bronze-
originalen. Der Ken-
ner findet bald heraus,
daß die betreffenden
Denkmäler f. Bronze-
ausführung bestimmt
waren; dies offenbart
ihm der eigenartige
Bronzestil, der in
Marmor nur recht
unvollständig zum
Ausdruck gelangen
kann. In einer farb-
losen Nachbildung
eines koloristischen
Meisterwerkes geht
dessen malerischerStil
verloren. Auch in
dieser Bedeutung ist
»Stil« nichts irgend-
wie zeitlich und ört-
lich Bestimmtes, son-
dern lediglichGesamt-
bezeichnung für die
Besonderheit eines
Kunstzweiges. Daher
hat in dieser Verbin-
dung die Frage gar
keinen Sinn, ob wir
einen »neuen Stil«
haben. Man könnte
höchstens von Kunst-
epochen sprechen,
welche den Stil ein-
zelner Kunstarten klar
hervorarbeiten und
solchen, in denen
verschiedene Stile
durcheinander schwimmen oder auf unrechtem Platze
hervortreten. Aufblühenden Zeitaltern wird im all-
gemeinen ein klareres Bewußtsein der ästhetischen
Sonderart der einzelnen Kunstarten eigen sein, woraus
aber durchaus keine Ablehnung der reichen Einflüsse
folgen soll, mit denen eine Kunst die andere zu be-
fruchten vermag. Nur müssen eben diese Einflüsse
verarbeitet werden, d. h. sie bedürfen der Umsetzung
in die Wesensart der betreffenden Kunst. Da nun
gerade unsere Zeit den Gesetzen des Materials erhöhte
Aufmerksamkeit spendet, da ein reiferes Bewußtsein der
einer Kunst möglichen Aufgaben heranwächst, können
wir vielleicht sagen, daß trotz zahlloser Stilverletzungen

1909. v. 2.
 
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