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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Michel, Wilhelm: Die Schicksale des Ornaments
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0254

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232

INNEN-DEKORATION

begründet. Auf diese Weise
konnte es kommen, daß
damals das Problem des
neuen kunstgewerblichen
Ausdruckes rein als Pro-
blem des Ornamentes gefaßt
wurde. Die vergeistigten
Hemmungen des Steines
mangelten, und so geriet
die Welt in die ornamen-
talen Debauchen hinein,
welche die mittlerweile
vollzogene gründliche Ent-
ziehungskur notwendig ge-
macht haben. — Der
Jugendstil steht für unsere
heutige Anschauung dem
dekorativen Schlendrian
der vorangehenden Jahr-
zehnte so nahe, daß man
schier zweifeln kann, ob
es erlaubt ist, ihn als den
Beginn der kunstgewerb-
lichen Reformation zu be-
trachten. Aber man ginge
mit diesem Zweifel zu
weit. Vermutlich wird
die historische Betrachtung
späterer Zeiten dem Jugend-
stil doch das eine Ver-

ARCH1TEKT RUDOLF SCHMID IN FREIBURG. HAUPT-EIN-
GANG DER OBEN STEHEND ABGEBILDETEN VILLA SAKURA.

dienst zubilligen, daß er
wenigstens den Willen, neu-
schöpferisch vorzugehen,
im Leibe hatte. Er wiikte
destruktiv und machte die
Bahn frei. — Doch dies
nur nebenbei. Tatsache
ist, daß der Jugendstil
keine konstruktiven, son-
dern nur ornamentale
Neuerungen gebracht hat.
Im Grunde genommen
setzt er die verdorbene,
sechs- und siebenmal ver-
wässerte Tradition der
Schreiner-Renaissance un-
verändert fort. Seine Bü-
fetts mit den schiefen
Stützen und Xylektypom-
Füllungen sind heimliche
Butzenscheiben - Büfetts,
seine Sofas mit den grün-
roten Eckmannmustern sind
verkappte Kameltaschen-
divans. Die ornamentale
Drehorgelmusik der 70er
und 80er Jahre wird vom
Jugendstil fortgesetzt, nur
mit neuen Gassenhauern.
— Aber bald kam das
 
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