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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Utitz, Emil: Die Königin Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0314

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INN EN-DEKORATION

übersättigt und gleichzeitig den Sinn nach Neuem reizt,
da halte man sich zurück und bleibe treu dem Prinzipe der
Sachlichkeit. Damit glaube ich vom Publikum noch
kein allzu großes Verständnis zu fordern, aber dies
scheint mir doch nötig, daß jeder sich wenigstens halb-
wegs über seine Lebensführung klar wird. Und ist er
soweit, kann er auch entscheiden, was zu ihr gehört.
Und einen Teil dieses »Was« bildet sicherlich das Heim.
Wer noch das Glück künstlerischen Feinsinns sein eigen
nennt, kann leicht weiter gehen über die Sachformen
hinaus zu einer künstlerischen Durchgestaltung der ihn
umgebenden Dinge. Mangelt ihm aber derartiges Ge-
fühl, bleibe er in den sicheren Bahnen ruhiger Sach-
lichkeit, die ihm sicherlich mehr entsprechen werden,
als künstlerische Formen, die für ihn eine fremde, un-
verstandene Welt bedeuten. Dann werden auch nicht
solche Fälle vorkommen, wie ich einen neulich antraf,
daß an einer Bronzefigur, die einen Arm ausstreckt,
ein Mantel hängt, und so ein gutes Kunstwerk ge-
schändet wird, indem es die Rolle eines Kleiderständers
übernehmen muß. Ist man aber von allem Kunst-
verständnis verlassen, dann tanze man nicht nach der
Mode irreführenden Weisen, sondern hole sich wenigstens
einigermaßen künstlerische Kultur, die aus Zeitschriften
und Büchern sicherlich bis zu einem gewissen Grade
erworben werden kann, jedenfalls so weit, daß grobe
Entgleisungen vermieden werden. Es wird auch nicht
jeder ein großer Mathematiker, der rechnen lernt; aber
die notwendigste Fertigkeit erwerben doch alle. Und
es wäre eine dringende Forderung, daß ein Mindestmaß
ästhetischer Erziehung allgemein vorhanden sein müßte,

und dies würde einen mächtigen Schutzwall bedeuten
im Kampfe gegen Modenarrheiten, der zugleich ein
Kampf ist gegen Oberflächlichkeit, Urteilslosigkeit und
Verkennen des langsamen Reifens, das hinter des Tages
bunten Bildern still zur Frucht emporwächst.

Solange — und dies wird nicht bald aufhören, viel-
leicht gar nie — die große Menge hilflos gegenüber-
steht der willkürlichen Gesetzgebung der »Königin
Mode«, halte sie sich an das ehrliche Prinzip der
Sachlichkeit. So werden zwar keine Räume entstehen
voll hohen Kunstwertes, aber Räume, die frei von des
Tages Schwächen kultivierte Heimstätten bedeuten,
gleichsam ein festes, konstruktives Gerippe. Und wer
Geschmack hat, mag es mit dem rosigen Fleische
blühenden Lebens umkleiden. Fehler, die sich auf
Decken oder Kissen, Vasen oder Bilder beziehen, dürften
nicht gar so schwer zu nehmen sein, weil sie leichter
behebbar sind.

Auf diese Weise erreicht man Wohnungen, denen
zwar der stolze Schein freier Originalität abgeht, die
aber in ihrem typischen Charakter wohl am besten
dem typischen 1 Hirchschnittswesen der Personen ent-
sprechen, die sie bewohnen sollen. Und so wird —
wie gar häufig — die ästhetische Frage letzten Grundes
eine Frage der Gesinnung. Muthesius hat da glänzende
Beispiele gesammelt. Innere Ehrlichkeit und Bescheiden-
heit schützen am besten gegen die Irrlichter, die die
Mode tanzen läßt; und Putzsucht, Scheinliebe zur
Kunst, Größenwahn sind die schlimmen Führer auf
den Wegen, deren Ende die Lächerlichkeit törichter
Modenarrheiten begiäbt. — dr. emil utjtz— präg.
 
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