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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Jaumann, Anton: Eine Berliner Wohnungs-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0320

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296

INNEN-DEKORATION

K. R. HENKER—CHARLOTTENBURG. DAMEN-ZIMMER. ZITRONENHOLZ. STOFFE RÖTL1CH-ORAU. AUSF.: NEUMANN & BUNAR.

ganda für das Handwerk. Rein handwerkliche
Leistungen sind fast gar nicht zu sehen. Wo
nicht Künstler die Entwürfe gaben, da waren es
eben die anonymen Zeichner des Ateliers, die den
Mangel an künstlerischer Qualität durchaus nicht
durch handwerklichen Geist ersetzten. Die schlechten
Zeichner sind es vornehmlich, woran wir kranken.
Wenn wir gern damit einverstanden sind, daß das
Handwerk wieder stark und selbstsicher wird und
sich mit der Zeit wieder großenteils vom Künstler
emanzipieren kann, so soll dieser doch nicht durch
den anonymen Zeichner ersetzt werden.

Der Künstler ist heute aber auch Anwalt des
Publikums, das unter der kulturellen Unsicherheit
leidet. Der reiche Emporkömmling und das kultur-
beflissene Brautpaar wissen noch nicht, wie sie
sich kleiden, wie sie wohnen sollen. Da rufen sie den
Künstler, der Geschmack und Einfälle für sie hat.

Eine Konzession wollten allerdings die Berliner
Tischlermeister und Holzindustriellen machen. Sie
wollten die Gesamtaufmachung der Ausstellung
einem Künstler übergeben. Aber der Ausschuß,
der nun auf die Suche ging, hat leider den rechten
Weg und den rechten Künstler nicht gefunden.
Der Regierungsbaumeister Schiibach, dessen gute
Freunde erzählten, er habe die vordere Wertheimhalle
geschaffen, erwies sich hier in der Wohnungsaus-
stellung, ohne Messels »Mitarbeit«, als unzulänglich.

In der Haupthalle errichtete er zunächst eine
riesige Gipsburg, die nichts enthält, und um dieses
hübsche Denkmal des Defizits zog er dann eine
nicht minder erschreckliche Gips-Kolonnade, sodaß
sich der überraschte Besucher zweifelnd an den
Kopf greift und den Diener fragt, ob er hier
wirklich in der Wohnungsausstellung ist.

Nachdem das getan und die Haupthalle für
die Kunst des Architekten reserviert war, ergab
es sich von selbst, daß die Masse der ausgestellten
Wohnräume in einer hinteren Halle und auf den
Galerien untergebracht werden mußten, was durch
riesige Schachtelungen, die wie Bienenkörbe in die
Halle gestellt wurden, sich leicht machen ließ.
Hier konnten die einzelnen Firmen dann ihre
Zellen einbauen! Auf diese Körbe wurden dann
— in der Halle — noch richtige Dächer mit rich-
tigen Knäufen gesetzt. Endlich fand der Architekt
auch noch, daß die Eisenarchitektur brutal wirke
und daß sie darum mit Holzgitterwerk verkleidet
werden müsse!

Dem Architekten der Ausstellung war es nicht
gelungen, für einen guten Gesamteindruck zu
sorgen, und die Handwerker kämpften darum von
Anfang an auf einem ungünstigen Terrain. Auch
das Plakat stand ja leider auf einem Niveau, das
wir doch längst überwunden glaubten. Der Gang
durch die Ausstellung wirkt unerquicklich, ver-
 
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