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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Breuer, Robert: Der "George Washington"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0358

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334

INNEN-DEKORATION

LLOYD-DAMPFER GEORGE WASHINGTON.

ANSICHT DES DAMPFERS.

radikal verschrieenen Führer wählte. Es ist nicht
notwendig zu sagen, daß das anfangs ein Risiko
scheinende Unternehmen die besten Erfolge trug;
die von den Münchner- und Dresdner-Werkstätten ein-
gerichteten I )ampfer offenbaren in all ihren Räumen
so überzeugend und eindeutig den Geist und den
Willen, die stählerne und präzise Elastizität eines
sich durch die Wellen schraubenden Kolosses, daß
jetzt endlich die bisher verschüttet gewesene Majestät
dieser wundervollsten von Menschen geschaffnen
Organismen auch dem Stumpfesten zur Erkenntnis
kommt. Nun gibt es einen gedanklichen Zusammen-
hang zwischen den Gesellschaftsräumen und den
dämonischen Tiefen, da die Räder schwingen, die
Feuer flammen und die Ventile atmen. Nun kann
der Reisende mit all seinen Sinnen und allen
Fasern seines Hirns das Ästhetische, den spezifischen
Reiz der menschlichen Herrschgewalt über die
Elemente voll auskosten. Während früher alles
darauf angelegt war, vergessen zu machen, daß
man sich auf einem Schiff und auf dem Wasser
befinde, glauben zu machen, daß man in irgend
einem Rathauskeller oder sonstwo sicher und ge-
mütlich auf dem Festen sitze, wird nunmehr alle
Raumgestaltung, jeder Pfeiler und jede Wand
dazu genutzt: die frische Atmosphäre eines
schwimmenden und schnell zum Ziel jagenden
Hotels lebendig und wirksam sein zu lassen. —

Bei dem neuen Dampfer »George Washington«
offenbaren gleich die Treppen und Vorplätze diese
Tendenz zur Natur und zur Seele des Schiffes.
Die höchste Tugend dieser Anlagen ist, daß sie
jedem, der sie beschreitet, (mit vollem Klang muß
man sagen: schreiten, nicht etwa klettern) das
Gefühl der absoluten Sicherheit, der selbstverständ-
lichen Souveränität über das Meer dort draußen
vermitteln. Es ist schrecklich, wenn schmale und
steile Stiegen mit langweiliger Beständigkeit an
die Enge des Schiffsbauches mahnen; dann glaubt
man in allen Winkeln Klabautermann klappern
zu hören. Hier aber bleibt einem allezeit die
Empfindung der freien Beweglichkeit und des
unbehinderten Atmens. Diese Aufgänge suggerieren
dem Ängstlichen Ruhe und würdige Haltung.
Und sie tun das nicht etwa allein durch ihre
Abmessungen. Gewiß, alles hat hier seine respektable
Größe; aber das Wohltuende, die Elastizität wird
durch die Form, durch den Schwung der Kurven,
durch die elegant gebändigte Kraft und den
motorischen Rhythmus der einzelnen Gliederungen
geleistet. Wir geraten bei solchen Erwägungen
immer wieder an den alten Witz, an das alte
Geheimnis: Eine bestimmte Form, eine Linie, eine
Biegung ist mit Leben geladen, läßt ihr Leben
dauernd entströmen und gibt davon allen, selbst
den Achtlosen. Man benimmt sich eben im Frack
 
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