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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Ein Gruss dem Hausgarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0019

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INNEN-DEKORATION

5

EIN GRUSS DEM HAUSGARTEN

In der Alltagssprache, die wir untereinander spre-
chen, erscheint der Garten beim Haus als eine An-
nehmlichkeit. Wir sagen ihm nach, daß er frische
Luft liefert, Gelegenheit zum Sich-Sonnen, Entspan-
nung für Auge und Gemüt. Aber was enthalten diese
Worte von der wirklichen Lebensfülle und Lebens-
wohltat, die ein Hausgarten täglich spendet? Was
er uns antut, geht doch viel tiefer, wirkt kräftiger
ms Zentrum unsres Daseins. Schon frühmorgens
schmückt er mit Vogelsingen die schöne Glücks-
stunde, die jedem gesunden Menschen nach dem Auf-
wachen geschenkt ist. Glockenrein und perlend frisch
klingen die Liedverse der Amseln durchs Fenster und
rufen den jungen Tag aus. Ein Anfang, ein unverzag-
tes neues Beginnen, ein Wink zu fröhlichem Schaffen!
Wenn dann die Tür aufgeht und man hinaustritt auf
die Terrasse, hinter der als goldgrüner Teppich der
Rasen liegt mit seinen durchsonnten Büschen und
Bäumen - was ist dem Augenblick dieses festlichen
Erlebnisses zu vergleichen? Der erste Atemzug mor-
Senfrischer Luft — ist er nicht eine täglich wiederholte
Verjüngung, ein Auferstehen zu neuem Mut und

neuem Glauben ? Blumen am schmalen Weg, halb
verdeckt durch Farnstauden und Rhododendron-
büsche, mächtige Stämme der Linden, des Ahorns,
die als Säulen das Laubzelt tragen, die lebende Mauer
der alten Fliederbüsche, durch die das rotbraune Eich-
hörnchen schlüpft, alles blitzend vom Tau, hier vom
Sonnenstrahl beglänzt, dort zart überschattet und in
reizenden Tiefen verdämmernd, alles durchweht vom
jungen Morgenwind und den kühlen Hauchen der
Erde, und zwischen den Zweigen oben das sanfte,
leuchtende, uferlose Blau - das ist nicht ein Ding,
nicht ein Grundstück, das ist eine Welt, ein Stück
reines, wohltätiges Leben, unvergiftet von schlimmen
Gedanken, erfüllt von Formen und Reizen, die sich
mit unschuldigen liebenden Anmutungen an die
Seele wenden. Auch das Heim drinnen zwischen den
Mauern ist eine Welt; aber es ist die Welt unsres
Innenlebens, unsres Geistes und unsres Gemütes. Der
Garten dagegen ist ein Stück Gotteswelt; er ist ein
Stück unverdorbene Schöpfung, das unsrem Hause
freundlich zugesellt ist als Quelle jener Kräfte, durch
die sich Geist und Seele täglich erfrischen können. -
 
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