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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Hausratformen der "Mitte"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0240

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226

INNEN-DEKORATION

WOHNZIMMER IN DEUTSCHEM NUSSBAUM RÜCKSEITE DES SCHREIBTISCHES S. 224

HAUSRATFORMEN DER »MITTE«. Beim Haus-
rat gibt es dieselben Spielarten wie bei der Klei-
dung: er kann sich einstellen auf den Alltag des Be-
wohners (wie die Berufskleidung), und er kann über
den Alltag hinausführen in eine erhöhte Form (wie
die Festkleidung). Die Kleidung macht diesen Unter-
schied selbst in den schlichtesten Kulturverhältnissen.
Nicht nur der Städter, sondern gerade der Bauer hat
seit alter Zeit eine andre Tracht für den Arbeitstag als
für den sonntäglichen Kirchgang oder die Festtage.
Ebenso kennt das alte deutsche Haus die mehr oder
minder »repräsentativen« Räume, die sich hie und da
zu ausgesprochenen Prunkräumen steigern, neben
den Räumen, die das Leben und Treiben des Alltags
fassen und spiegeln. Im modernen Hause werden
diese unterschiedlichen Typen nicht mehr so häufig
wie früher nebeneinander stehen. Die einzelne
Wohnung wird sich meist für einen einheitlichen,
durchgeführten Typ entscheiden, der dem Gesamt-
lebensgefühl der Familie am besten entspricht; und
dafür werden sich ihr vielfach jene ruhigen, schlich-
ten Hausratformen empfehlen, die den Alltag zur
Grundlage nehmen und ihn so durchdacht und künst-
lerisch gewissenhaft fassen, daß die Räume auch die
Feier- und Ruhestunden sowie die heitere Geselligkeit
freundlich aufnehmen und umrahmen. Formen der
Mitte sind es, die aus solcher Zielsetzung entstehen;

Formen, die nicht auf bestimmte Lebensgefühle hin
pointiert (»zugespitzt«) sind, sondern aus ihnen allen
einen klaren schlichten Durchschnitt ziehen und so
eine Linie gewinnen, die auf das Dauernde im Woh-
nen und auf das Immer-Wiederkehrende des Daseins
verweist. Hausrat, der den Charakter des »täglichen
Brotes« hat - ohne Zweifel ist der Sinn für ihn gerade
beim heutigen Deutschen wieder im Wachsen! Er
verbindet sich wie durch einen Naturwink mit werk-
stattgerechter Konstruktion (Stollen- und Rahmen-
bau), mit einheimischen Hölzern und, im Formalen,
mit der Gebärde des An-Sich-Haltens, in der keine
Spur Von Rednerischem zu merken ist. Man könnte
sagen, daß in diesem Hausrat der deutsche Grundge-
schmack für das ruhige, von Reflexion und Geltungs-
bedürfnis angebrochene Sein sich ausdrückt, ein Ge-
schmack, der weitgehend den Hausrat des alten Bür-
ger- und Bauernhauses geprägt hat, der aber keines-
wegs darauf verwiesen ist, buchstäblich an histo-
risch gegebene altertümliche Möbelformen anzu-
knüpfen. Im Gegenteil! Bei einer solchen bewußten
Anknüpfung an Altertümliches können sich leicht
wieder jenes Pathos und jene Reflexion einstellen, die
der angestrebten Grundhaltung des klaren positiven
Seins zuwider sind. Hausrat solcher Art ist in der
Haltung »bescheiden«, d. h. er weiß um Grenzen und
bescheidet sich mit der Einfügung in ein Ganzes. -
 
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