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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Verschiedene Gestaltungsgrundsätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0366

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352

INN EN-DEKORATION

Ld & 1-









»SITZECKE EINES BERNER WOHNZIMMERS« NUSSBAUM. - HERSTELLER: W. SCHAFFER-HOFMANN-BURGDORF

VERSCHIEDENE GESTALTUNGSGRUNDSÄTZE

"\7"7"ohnen - wir müssen es uns eingestehen - ist von
W Mensch zu Mensch ein andres Ding. Was den
Wohnraum gestaltet, können wir nie aus einem An-
trieb und Bedürfnis allein erklären. In Wahrheit wir-
ken bei dem, was man die Wohnform einer Zeit nennt,
immer mehrere Gestaltungsprinzipien neben- und mit-
einander: daher die Vielartigkeit der Bemühungen
und das immer erneute Ansetzen. Der eine geht auf
Dauerformen, die ihn hegen und festlegen; der andre
liebt eine Wohnform, die beweglich ist und deren
freier Herr er bleibt. Welch ein Unterschied schon
hier! Oft sprechen äußere Umstände ein entscheiden-
des Wort. Ein junger Haushalt will sich nicht mit zu-
viel dinglichem Besitz beladen, weil ihm noch Wan-
derjahre bevorstehen. Daher füllt er die erste Woh-
nung nur mit leichten Geräten, die in wechselnden
Mieträumen gut unterzubringen sind. Oder er beginnt
aus Sparsamkeitsgründen bescheiden und denkt dabei
an ein späteres Eigenheim mit einer entwickelteren
Dingwelt. Aber auch Gesinnungsgründe, Charakter-
gründe werden wirksam. Naturen, die nüchtern und
sachlich gerichtet sind, empfinden einen »stabilen«
Hausrat als zu anspruchsvoll. Ihnen ist nur verwandt,
was gefügig im Augenblick steht. Das Technische, das

knapp und geistreich Gefaßte, worüber Auge und Ge-
brauch leicht hingleiten, spricht sie mehr an als die
an sich gehaltvolle Form, welche zum Verweilen und
zur Anknüpfung tieferer Beziehungen einlädt. Vor-
übergehende und verweilende Menschen - wie vieles
trennt sie! Und wie häufig sehen wir sie gerade in
unsrer modernen Kultur nebeneinander stehen, weil
diese selbst noch zwischen beiden Haltungen schwankt
oder: weil sie die zeit- und volksgerechte Vereinigungs-
formel der beiden Haltungen noch nicht gefunden hat.

Aber neben dem Typ der frisch mit dem Augenblick
Gehenden gibt es stets, zumal unter Deutschen, den
Typ der »Verweilenden«. Goethe schreibt in der Ab-
handlung über Kunst und Handwerk: »Der wahre
Reichtum bestünde also in dem Besitz solcher Güter,
welche man zsitlebens behalten, welche man zeit-
lebens genießen und an deren Genuß man sich bei
immer vermehrten Kenntnissen immer mehr erfreuen
kann.« Was kommt hier zum Wort ? — Ein Charakter,
der in sich selbst das Dauernde, das Wesenhafte för-
dern will, weil er begriffen hat, daß der Mensch nur
so mit seinen Wurzeln auf den eigentlich nährenden
Grund kommt. Ohne Zweifel hat Goethe auch die
Wohnungsgestaltung unter diesem Gesichtspunkt des
 
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