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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Wieszner, Georg Gustav: Lob der Schatten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0032

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INNEN-DEKO RAT ION

HAUS GRIESSER »SCHLAFZIMMER DER HAUSFRAU« ZITRONENHOLZ, WÄNDE: SILBERGRAU, STUHLBEZGGE: ALTROSA SAMT

leicht um das Bergende des Hauses (»Um des Lichts
gesellige Flamme sammeln sich die Hausbewohner«!)
ganz bewußt zu betonen.

Man sehe sich Rembrandts »Philosophen« an, wie
er am Fenster sitzt, hinter sich die schweren Schatten
unter, an, auf der Wendeltreppe! Was würde daraus,
wenn da auch nur eine elektrische Kugellampe her-
abhinge ?! Unausdenkbar, wie das Blatt zusammen-
sacken und in Chaos (trotz des Lichts!) zerfallen
würde. Aber man kann sich mit einiger Phantasie
ausdenken, wie eine die Treppe hinaufgetragene
Kerze den Raum ertastet, wie die Schatten huschen
und hundertfach zerfallen und wieder werden, wie die
Sterne in den Kaleidoskopen unserer Kinder, jenen
Überresten aus der Zeit echtesten Licht-Spiels.

Was heute erstarrt ist, war einst tausendfältige Be-
wegung. Wie die Sonne draußen wandelt und jedes
Ding von allen Seiten umleuchtet, so wandelten Kan-
delaber und Laternen. Vom Licht, das man symbolisch
in romanischen Kirchen zum Altare trug, bis zum
»Wachsstock« des Wirtes und dem »Licht« der Sophie
im 2. Akt der »Mitschuldigen« lebt dieses Leuchten
allein von einem Übermaß der Dunkelheit ringsum,
in dessen Schatten die Geheimnisse stehen; und wer

könnte sich eine Hoffmannsche Szene, etwa die im
»Sandmann«, wo Coppola »die Figur über die Schulter
geworfen mit fürchterlich gellendem Gelächter die
Treppe herabrennt«, die Figur der Olympia, in die sich
Nataniel verliebte und deren »häßlich herunterhän-
gende Füße auf den Stufen klappern und dröhnen«
bei elektrischer Treppenbeleuchtung denken? Auch
freundlichere Szenen, wie die der vielgesungenen
Löwe-Idylle: »Und wo die Treppe so dunkel ist, da
haben wir uns geherzt, geküßt« sind in einem neuzeit-
lichen Hause einfach unmöglich. Der Fünfminuten-
schalter zerreißt sie in ganz jämmerlich lächerliche
Situationen. Es gibt keine Schattenecken zum Küssen
mehr, sie müssen mit allem Raffinement des kunst-
gewerblichen Lampenschirmes dem Allbeherrscher
Licht erst abgerungen werden, müssen inszeniert wer-
den, sind Schatten aus zweiter Hand, darum fehlt dem
heutigen Menschen so sehr die Ursprünglichkeit, denn
»am Anfang«, im Ur-Sprung war Licht und Finsternis,
und der elektrische Schalter war im Schöpfungsplan
vielleicht doch nicht vorgesehen.

Es war einer der stärksten Eindrücke meines Le-
bens, wie ich vor Jahren, als ich Gellert-Singspiele Vor
der Amalienburg bei München inszenierte, einmal am
 
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