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Wieszner, Georg Gustav: Lob der Schatten
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0034
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INNEN-DEKORATION
Abend in den großen Spiegelsaal Cuvillies' nur mit
einer Kerze in der Hand trat. Alles war dunkel, auch
draußen der Nymphenburger Park war schwarz ver-
hängt; und da stand mitten zwischen hundert Spie-
geln dieses kleinwinzige Licht, und ein kleiner Mensch
war sein Träger, und das Pünktchen wiederholte sich
nach allen Seiten in Unendlichkeiten hinein: es war
ein Gefühl der Größe des All-Seins und der Kleinheit
des Ich-Seins zugleich, ein Gefühl von furchtbar-
beglückendem Zwang. Was wäre aus dem ganzen
Zauber geworden, besäßen diese Verzauberten Säle
einen elektrischen Schalter! Ich möchte einmal mit
einem fünfkerzigen Kandelaber eine Bildergalerie,
etwa die in Pommersfelden, betrachten. Wie mögen
da die Breughel und die alten Holländer überhaupt
aus ihren Schatten lebendig werden! aus den Schatten
heraustreten! Ich möchte einmal, trotzdem ich weiß,
daß es die Chronologie stören würde, die Szene »Ga-
lerie im Schloß« in den »Räubern« so inszenieren, daß
Karl mit einer Kerze an den Bildern vorbeiginge:
»Und getrauten Sie wohl, sein Bildnis unter diesen
Gemälden zu erkennen?« Karl und Amalia im Lich-
terspiel der Kerze und Daniel aus dem dunkelsten
Schatten ins Licht zu seinem Herrn hinstarrend! —
Haben wir nicht zuviel Licht auf der Bühne ? Was
war das doch einmal in lange vergangenen Zeiten für
eine Welt, aus Schatten hergezaubert! Wie rührend
primitiv wirken die Öllämpchen im Teatro Olimpico
des Palladio in Vicenza, wenn man das Glück hat,
diese Zauberbühne hinter dem prunkvollen Prosze-
nium zu betreten. - Hier hat einst ein großer Archi-
tekt aus Schatten Raum gestaltet, dr. o. g. wieszner
Fotos:
Emil
Lcitncr
Berlin
»spültisch in der küche« haus des architekten professor paul griesser-bielefeld
INNEN-DEKORATION
Abend in den großen Spiegelsaal Cuvillies' nur mit
einer Kerze in der Hand trat. Alles war dunkel, auch
draußen der Nymphenburger Park war schwarz ver-
hängt; und da stand mitten zwischen hundert Spie-
geln dieses kleinwinzige Licht, und ein kleiner Mensch
war sein Träger, und das Pünktchen wiederholte sich
nach allen Seiten in Unendlichkeiten hinein: es war
ein Gefühl der Größe des All-Seins und der Kleinheit
des Ich-Seins zugleich, ein Gefühl von furchtbar-
beglückendem Zwang. Was wäre aus dem ganzen
Zauber geworden, besäßen diese Verzauberten Säle
einen elektrischen Schalter! Ich möchte einmal mit
einem fünfkerzigen Kandelaber eine Bildergalerie,
etwa die in Pommersfelden, betrachten. Wie mögen
da die Breughel und die alten Holländer überhaupt
aus ihren Schatten lebendig werden! aus den Schatten
heraustreten! Ich möchte einmal, trotzdem ich weiß,
daß es die Chronologie stören würde, die Szene »Ga-
lerie im Schloß« in den »Räubern« so inszenieren, daß
Karl mit einer Kerze an den Bildern vorbeiginge:
»Und getrauten Sie wohl, sein Bildnis unter diesen
Gemälden zu erkennen?« Karl und Amalia im Lich-
terspiel der Kerze und Daniel aus dem dunkelsten
Schatten ins Licht zu seinem Herrn hinstarrend! —
Haben wir nicht zuviel Licht auf der Bühne ? Was
war das doch einmal in lange vergangenen Zeiten für
eine Welt, aus Schatten hergezaubert! Wie rührend
primitiv wirken die Öllämpchen im Teatro Olimpico
des Palladio in Vicenza, wenn man das Glück hat,
diese Zauberbühne hinter dem prunkvollen Prosze-
nium zu betreten. - Hier hat einst ein großer Archi-
tekt aus Schatten Raum gestaltet, dr. o. g. wieszner
Fotos:
Emil
Lcitncr
Berlin
»spültisch in der küche« haus des architekten professor paul griesser-bielefeld