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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Begriff und Forderung der Echtheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0086

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INNEN-DEKORATION

dants«, hinzugesellt, bloß damit die Aufstellung wirk-
samer wird. Im pompejanischen Wohnhaus der spä-
teren Zeit sind die eigentlichen Wohnräume sehr
klein und nur spärlich möbliert. Die wenigen größe-
ren Räume aber enthalten vielfach rein dekorative
Bronzegeräte, die im Verein mit Bronzefiguren ledig-
lich zur Erregung ästhetischer Empfindungen be-
stimmt sind. Im kaiserlichen Rom entwickelt sich die
Innenausstattung deutlich auf eine bloß »scheinende«
Repräsentation zu, wie wir sie auch anderwärts bei
starker Verdichtung der gesellschaftlichen Zustände
finden. Möbel von seltenem Holze und von teurer
Arbeit waren für jeden vornehmen Mann ein wesent-
liches Bedürfnis; wer sie nicht hatte, mußte darauf
verzichten, zur guten Gesellschaft gezählt zu werden,
- genau wie in der Welt um Ludwig XIV. oder im
Bereich der oberen Vierhundert in den Vereinigten
Staaten. Seneca, Neros Lehrer, bricht angesichts die-
ser Loslösung des Scheins vom Wesen in die Klage
aus: »Bei uns ist es unglücklicherweise dahin ge-
kommen, daß niemand anständig leben kann, ohne
eine Menge von goldenen und silbernen Gerätschaften
zu besitzen, sowie Gefäße von solchen Stoffen, welche
ihre Kostbarkeit bloß der Grille einiger wenigen Leute
verdanken, und so viele Sklaven, daß für ihre Zahl
sogar die größten Paläste zu enge sind.«

Für das alte Wohnen, das in diesen Beispielen be-
leuchtet ist, stehen fiktive Werte im Vordergrund,

welche zu den fiktiven, scheinhaften Elementen in
der Raumausstattung führen: einmal sind es ästhe-
tische Werte oder Phantasiewerte, die eine Unter-
schlagung der Wandwirklichkeit herbeiführen, das
andre Mal ist es gesellschaftliches Geltungsbedürfnis,
welches über eine Zweckbestimmung des Hausrats
völlig hinwegsehen läßt und die Möbel nur noch als
Zeichen für einen bestimmten Besitz und Lebensstil
in Anschlag bringt. Und das bedeutet, daß diese
Menschheit noch nicht mit sich selber ins reine ge-
kommen ist, daß in ihrem Sein noch freischwebende
Rauschelemente eine Rolle spielen, daß sie ihr Be-
dürfnis nach Schönheit und nach Ansehen noch nicht
mit der Wirklichkeit und dem Lebensgesetz der die-
nenden Objekte hat zusammendenken lernen.

Dies aber ist es, was den heutigen Menschen aus-
zeichnet. Ihm ist es nach harter Schulung unmöglich
geworden, sich mit einer durch stofflichen Lug er-
kauften Phantasiebefriedigung zu begnügen; und
ebenso heftig widerstreitet es ihm, ein Gerät anders
in seine Welt einzureihen als auf Grund seines Dien-
stes, der ja unausweichlich sein Daseinsgrund ist.
Mit anderen Worten: Daß wir die Werkstoffe und die
Möbelzwecke ernst nehmen und Schönheit nur im
Bunde mit ihnen, nicht in ihrer Verleugnung anstre-
ben, das ist ein Zeugnis für das neue innere Zusam-
menhängen des heutigen Menschen, für den höheren
Grad lebendiger Verwirklichung, den er erreicht hat.

»ARBEITSZIMMER DES REICHSJUGENDFÜHRERS« ENTW. UND AUSF. VEREINIGTE WERKSTATTEN
 
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