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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Musikzimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0089

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MUSIKZIMMER

Das Zurückgehen der Hausmusik ist eine schon
oft beklagte Tatsache, denn mit diesem Rück-
gang ist ein Rückgang der musikverständigen Hörer-
schaft in der Oper und im Konzertsaal verbunden.
Das ist beklagenswert, und Deutschland, das immer
den Ruhm hatte, die größten Tonschöpfer und für
sie das beste Publikum zu besitzen, sollte nicht leicht-
fertig auf diesen Ruhm verzichten.



Sicher hat das »Alles für alle«, das Radio und
Grammophon so magisch verwirklichen, sein Gutes,
man braucht darüber kein Wort zu verlieren, aber
die Pflege der Hausmusik sollte darüber nicht ver-
gessen, ja nicht vernachlässigt werden. Erst das
Selbstspielen, das Eindringen in das Wesen eines
Instrumentes und einer Komposition, und das »An-
sich-selbst-Erfahren«, was Tondichtung und Vortrag
ist, gibt letzte Erkenntnis vom Geiste der Musik und
letzte Ehrfurcht vor ihren Meistern.



Wenn das Musikzimmer aus unserer Wohnkultur
verschwände, so wäre das eine Verarmung unseres
Volkstums in jeder Hinsicht. Ja, es wäre auch letzten
Endes eine Verarmung des Radios, das für seine besten
Vermittlungen keine empfänglichen Seelen mehr
finden, eine Verarmung des Musikerstandes, der
seine genialsten Kräfte, die sich ihm stets aus der
Hausmusik entwickeln, verlieren würde.

+

Ein Musikzimmer hat, wie jeder ausgesprochene
Zweckraum, seine technischen und psychologischen
Gegebenheiten. Es sollte möglichst wenige Zugänge
haben, denn Räume mit vielen Türen sind einer inne-
ren Sammlung bei den Hörern ungünstig, es sollte
ein ausgesprochenes Rahmengepräge tragen, denn
eine im geringsten aufdringliche Architektur ist ge-
eignet, von der Hauptsache, der Musik, die hier
Alleinherrscherin sein will, abzulenken. Es sollte
endlich nach den erprobten Regeln der Akustik ge-
staltet sein, damit die Töne seinen Ausmaßen ent-
sprechend weder zu laut noch zu gedämpft erklingen.
Auch gegen das Eindringen störender Geräusche von
der Straße oder aus dem Haushalt sollte er geschützt
sein.



Beherrscht werde das Musikzimmer von einem
Flügel, der ganz Instrument und nicht »stilvolles
Möbel« wie einst ist. Es gibt deren, nachdem die
Epoche schwarzpolierten, mastodonbeinigen Musik-
instrumente-Greuels überwunden ist, wie es auch
Notenpulte ohne Lyren und Schnörkel und widrigen
Ausputz gibt. Wichtig sind die Hörersitze; sie sind in
einem echten Musikzimmer nicht Marterhocker, hart
und musikfeindlich wie in vielen Konzertsälen, son-
dern zärtliche Freunde des ihnen verfallenen Men-
schen, die eine volle Auflösung in die Welt der Töne
ermöglichen.

Dann die Beleuchtung! Sie ist eine wichtige Sache.
Am besten ist ein mittelbares Licht, milde gemäßigt,
nicht zu dunkel, damit kein zu starker Kontrast zwi-
schen der allgemeinen Belichtung des Raumes und
den Flügel- oder Pultlampen der Musiker entsteht.
Ist die Hörerschar in zu tiefes Dunkel getaucht, wir-
ken Flügel und Pultlicht leicht einschläfernd, eine
unerwünschte Wirkung, denn Musik soll nicht ein-
lullen, sondern entrücken.



Auf lebhafte Farbenwirkungen kommt es in einem
echten Musikraum nicht an. Wenn am Abend der
Raum den Eindruck erweckt, als befände man sich
in einem köstlichen Schrein sicher und geborgen, so
ist den Tönen und Akkorden die günstige Umwelt
geschaffen. Die Atmosphäre einer getünchten Kran-
kenhausstube oder die eines Boudoirs mit geschwätzi-
gen Möbeln oder Salongschnas ist einer edlen, gesun-
den und hohen Musik unwürdig.



Große Meister, Musikfreunde höchsten Grades,
Musikhistoriker und Komponisten besitzen hier und
da wohl auch Musikräume, die man Musikateliers
nennen könnte, da sie in mancher Hinsicht den Ate-
liers der großen Maler von einst gleichen, jener Maler
mit den für Schönheit unersättlichen Augen, die sich
zu ihrer Anregung und Augenweide mit köstlichen
und seltsamen Dingen in üppiger Fülle umgaben. In
solchen Musikateliers, die eine stattliche Größe ver-
langen und Werkstatt und Museum in sich vereinen,
findet man eine Orgel eingebaut. Dem besten Flügel
der Zeit gesellen sich Cembalo und Spinett zur Pflege
der jetzt wieder so beliebten alten Musik. In Vitrinen,
architektonisch den Regalen für die Musik-Bücherei
eingegliedert oder auch freistehend, entdeckt man
wunderbar geformte Meisterwerke alter Geigen- und
Lautenmacher-Kunst. Selten fehlt auch in solchen
Ateliers die Königin der Instrumente, die Harfe, sie
fehlt mit Recht nicht, denn sie übertrifft allein schon
in der Form an Schönheit, an Zauber und Ehrwür-
digkeit alle anderen Instrumente. Wo eine Harfe
steht, da ist ein Heiligtum! Aus einer Harfe vermittelt
sich Musik, wenn man sie nur nachdenklich be-
trachtet. Kein Wunder, daß alle großen Meister für
die Harfe eine heilige Liebe im Herzen tragen und
ihre Saiten nur für den Ausdruck letzter Dinge in
Anwendung bringen, und weiter kein Wunder, daß
die Harfe seit Urtagen das Symbol der herrlichsten
und köstlichsten Gottesgabe Musik geblieben ist.



Hoffen wir von der neuen deutschen Kulturblüte,
die schon so vielversprechende Ansätze zeigt, daß sie
allen Musikräumen, den großen und kleinen, den
Musikzimmern, Musiktempeln und Musikateliers und
ihren Bewohnern Gelegenheit schaffe, an der Weiter-
bildung der deutschen Musikvergangenheit zu einer
deutschen Musikzukunft mitzuwirken. - k. v. h.
 
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