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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Kessler, Eva: Wiener Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0196

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INNEN-DEKORATION

PROFESSOR OSWALD HAERDTL-WIEN »TOCHTERZIMMER DER WOHNUNG A.« EICHE UND SCHLEIELACK

voller Aufnahme des Publikums erreicht werden,
die den Boden und die eigentliche Voraussetzung
jeder fruchtbaren, künstlerischen Entwicklung bildet.
Es ist kein Zufall, daß diese Fragen und Probleme
gerade im Lande Österreich - dem Zentrum ver-
feinerten Geschmacks mit einem reichen Nachwuchs
emporstrebender junger Begabungen! - die Wucht
verantwortungsvoller Forderungen entwickelten. Wo
viele Begabungen sind, werden viele verschiedene
Wege gesucht, werden auch viele verschiedene Ge-
danken über die Zusammenfassung der genannten
Faktoren gedacht. Die in Österreich entfaltete Er-
örterung dieser Wege und Möglichkeiten hat uns
zwar mit freudiger Betroffenheit erst richtig er-
kennen lassen, wie groß der Reichtum und die
Kraft in unsrem Erbgut an künstlerischen Fähig-
keiten ist, die sich zugleich stets so schön mit wert-
voller Überlieferung paaren. Aber dieses stolze Erb-
gut an Künstlertum erhöht auch die Pflicht des Ein-
zelnen und die Verantwortung des Lehrers und Füh-
renden, sorgsam den Weg zu suchen, der aus Ent-
wicklungszuständen oderÜbergangsperioden zu neuen
Formen der Gestaltung führt, um Gefahren der Zer-

splitterung zu vermeiden. Freilich kann in dem be-
schränkten Raum dieser Zeilen nur andeutend das
Notwendigste gesagt werden, doch selbst diese Hin-
weise dürften Nachhall finden oder andere lösen.

Schon Klärung der Begriffe würde viel bedeuten,
wobei es sich natürlich nicht darum handeln kann,
Doktrinen irgendwelcher Art aufzustellen, sondern
um die Erörterung der oft betonten Fragen, ob über-
haupt eine Trennung zwischen Kunst und Kunst-
handwerk bestehe, wo etwa diese Trennungslinie
verlaufe und welchen Raum das Kunsthandwerk
oder die angewandte Kunst in unserer maschinen-
beherrschten Zeit einnehmen kann. Die oft geforderte
»Rückkehr zur Natur« oder zu den künstlerischen
Ausdrucksformen bäuerlicher Kultur, dürfte - ob-
wohl sie auf gesunden Grundtendenzen fußt, die die
Kraft des Nationalen betont! - mit Vorsicht zu wer-
ten sein, da aus dem Bereich unsrer Kultur die Ma-
schine mit ihrer formbestimmenden Geltung nicht
fortzudenken ist. Ein Rückblick auf die Vergangen-
heit und die kunstbeseelten Epochen früherer Jahr-
hunderte darf nicht schlechthin als Mahnung zur
Nachahmung empfunden werden (so reich und frucht-
 
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