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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Möbius, Martin Richard: Stil oder Mode?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0323

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INNEN-DEKO RAT ION

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Eigentümlichkeit der Mode ist, daß alles an ihr
sterblich erscheint, und doch mischt sich in ihre
Launen manches Element, das unsterblich und uralt
ist. Meistens wird Mode, was schon einmal gestorben
war, denn es gibt da nichts Neues auf der Erde. Auch
der Gedanke, der die Neuerscheinung zutage fördert,
ist nicht neu: aus dem Unverbundenen der Geschichte
wird er als etwas Seltenes, Überraschendes und Rei-
zendes bezogen. Tritt in der Neuheit einmal irgend-
ein stilistisches Element mit auf, so vergeht dieses
unwiderruflich mit der Mode. Sie lebt länger — doch
sie ist nicht unsterblich wie der rein erhaltene, rein
gestaltete Stil.

Die Stilbildung knüpft an Bedingungen an, die
Mode nicht. Die Bedingung entspricht genau dem
Gedanken, der aus der Zeit heraus als Notwendigkeit
an die Gestalter herangetragen wird. Die Bedingung
als Notwendigkeit lebt immer wieder auf, sie ist ein
unsterbliches Element. Hingegen verdirbt die Will-
kür jeden Stilansatz. Das Verderben setzt ein, sobald
der Stil nicht mehr in der ursprünglichen Bedingung
wurzelt und seine Nahrung anderswo zu suchen be-
ginnt. Das zeigt den Augenblick an, wo der Gedanke,
der schöpferisch aufgetreten ist, nicht mehr lebens-

kräftig genug ist, um weiteres Reifen zu ermöglichen.
Es kann dann geschehen, daß der Stil fürjahrhunderte
zurücktritt und scheintot wirkt. Doch plötzlich tritt
ein neuer Gedanke auf, der sich an ihm entzündet.
Wir erleben diesen Vorgang, indem wir das Bau-
schaffen unsrer Zeit verfolgen. Hier ist zum ur-
sprünglichen Stil, gebildet aus der Notwendigkeit,
Last und Stütze zu vereinen, der neue Gedanke ge-
treten, unseren Zweckmäßigkeiten, unseren An-
sprüchen und Notwendigkeiten abermals zu ge-
nügen. Mit den neuen Baumitteln ist der alte Stil
belebt worden, denn der neue Gedanke war die Not-
wendigkeit des neuen Reiches, das seine Festhallen,
seine Versammlungsräume, seine Verwaltungshäu-
ser, seine Sportanlagen und Kasernen brauchte. Die
Bauten in Nürnberg, die Anlagen des Reichspartei-
tages, die Bauten in Berlin, in München, Hamburg,
Weimar und an anderer Stelle empfinden wir als
höchste Notwendigkeit unsrer Zeit. Und so ergibt
sich aus dem Einklang alter Stilelemente und neuer
Notwendigkeiten eine Belebung der Antike, die nicht
willkürlich ist, sondern natürlich. Aufsteigende Zei-
ten sind immer Zeiten des Stils, niedergehende Zeiten
haben nur Moden. — martin richard Möbius-berlin
 
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