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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Raumgestaltung eines Sudetendeutschen Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0407

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RAUMGESTALTUNGEN EINES SUDETENDEUTSCHEN ARCHITEKTEN

Der sudetendeutsche Architekt und Raumgestalter
Oskar Riedel aus Troppau ist den Lesern der
»Innen-Dekoration« keine unbekannte Erscheinung.
Mehrfach wurde an dieser Stelle auf seine kultivierte,
in Form und Wohntechnik hochstehende Heimgestal-
tung hingewiesen. Ssin Schaffen wird im gegenwärti-
gen Zeitpunkt, da die Heimkehr der sudetendeutschen
Lande noch als großes Ereignis uns allen vor Augen
steht, doppelter Anteilnahme begegnen. Weist es doch
in seiner klaren deutschen Art, die durch Wien ge-
prägt ist, auf den inneren geistigen Zusammenhang,
welcher das Sudetendeutschtum lange vor der staat-
lichen Vereinigung mit dem großen Vaterland ver-
knüpfte. Städtische Kulturbegriffe haben in Riedels
Wohnraumgestaltung die Führung, eine lebensvolle
Heiterkeit herrscht in allen seinen Raumbildern vor.
Aber die ruhige Gediegenheit, die gehaltvolle Schön-
heit, welche sich mit diesen Zügen verbinden, die
Straffheit ohne Strenge, die Bedeutungsgeladenheit
ohne Pomp, der Nachdruck und die Reife seiner For-
men, die doch niemals ins Schwere gehen - da erken-
nen wir bestes deutsches Wesen, wie es uns seit Jahr-
hunderten vertraut ist.

Zu einem Troppauer Kaffeehaus gehört die kleine
Bar, welche einem Wintergarten angegliedert ist
(Abb. gegenüber). Aus dem bescheidenen Raum hat
der Architekt etwas höchst Behagliches und Fest-
liches gemacht. Ausdrucksvoll, fast wie eine Bühne,
ist der Bartisch aus poliertem Rosenholz gestaltet;
ihm antwortet von der Decke ein kräftiges Beda-
chungselement aus gleichem Werkstoff. Der Sockel
des Bartischs ist mit schwarzem, die obere Abstell-
fläche mit grauem Linoleum bekleidet; alle Kanten
sind durch verchromte Metall-Leisten geschützt, die
auch anderwärts (z. B. in der Ausstattung der Bank-
gruppe) verwendet sind. Die Sitzbänke haben Leder-
bezug (abwechselnd rot und schwarz), die Bankwan-
gen sind mit schwarzem Korklinoleum belegt, wel-
ches auch das Material des Bodenbelags bildet. Die
Türöffnungen zum links befindlichen Nebenraum sind
mit grünem Velours verhängt, das Binnenfenster ist
anmutig mit silbernen und roten Schnüren ausge-
flochten. So betätigt sich hier in knappem Raum eine
ideenreiche Gestaltung.

Der Gesellschaftsraum (Abb. S. 394/395) stellt in-
sofern eine fesselnde Lösung dar, als er zugleich als
Arbeitsraum zu dienen und einen geräumigen Schreib-
tisch aufzunehmen hatte. Es galt, dieses Möbel so zu
fassen und einzuordnen, daß es die gesellschaftliche
Note nicht durchbrach und doch volle praktische
Brauchbarkeit gewann. Der Architekt verfuhr sehr
überzeugend so, daß er den Schreibtisch ans Fenster
setzte und ihn mit der Sitzgruppe (Polsterbank mit
Tisch und Sesseln) in Verbindung brachte; den in den

Raum einspringenden Seitenteil behandelte er als ge-
kurvte Vitrine mit Innenbeleuchtung, wodurch der
Schreibtisch die Note eines Schmuckmöbels erhält.
Die Polsterbank besteht aus einzelnen Polstersitzen,
die um den reizvoll konstruierten Tisch (Holzplatte
auf metallenem Doppelbügel, Holzsockel mit Lin-
oleumauflage und schmückenden Metall-Leisten) auf-
gestellt werden können. Zu dieser Sitzgruppe gehört
auch ein fahrbarer, mit grauem Noppenstoff bezoge-
ner Polstersessel, dessen hölzerne Armlehnen eine
Polsterauflage aus rotem Leder tragen. An der Wand
gegenüber der Sitzbank ziehen sich tischhohe Bücher-
gestelle entlang; in Verbindung mit ihnen steht der
Barschrank (Abb. S. 394, Ecke links) mit schwarzer
Glasauflage und selbsttätiger Innenbeleuchtung. Die
Raumbeleuchtung besorgt ein starker Reflektor in
der Deckenmitte. Dazu kommen an dem Deckenab-
schnitt vor den Fenstern acht matte Kugelbirnen auf
versenkten Metallschalen. Das Holzleistensystem an
dieser Stelle der Decke sowie die Hohlkehle, die rings
die Deckenfläche gegen die Wände absetzt, bilden
Gliederungselemente Von nachdrücklicher Wirkung.

Ein stattlich-repräsentatives Raumbild stellt sich
dar in dem Wohnraum des Industriellen R. J. in Ko-
morau bei Troppau (Abb. S. 396/397). Das Haupt-
stück bildet hier der Kamin an der Längswand, ein
breit entfalteter Körper in verputztem Ziegelmauer-
werk, welchem einzelne vorstehende Klinker zum
Schmucke dienen; darüber die hohe Kaminhaube, als
schöne Verbindung zu dem hölzernen Rahmenwerk
an der Decke, das als eine Art Baldachin den niedri-
gen Podest vor dem Kamin überschwebt. Dieser Po-
dest trägt eine Sitzgruppe, bestehend aus einem
schmiedeeisernen Tisch mit Spiegelglasplatte und
Lehnsesseln; beiderseits des Kamins schließen sich
Polsterbänke an. Diese eindrucksvoll gestaltete Ka-
minpartie wird im axialen Durchblick durch eine
ganze Zimmerflucht sichtbar. Zu erwähnen ist, daß
der Kamin mit selbsttätigem Aschenabfall zum Keller
und einer Frischluftzuführung unter der Feuerstelle
ausgestattet ist.

Zur Wohnung eines Bergbauingenieurs der Ostrauer
Bergwerke gehört das kleine Eßzimmer in Esche und
Nußbaum (Abb. S. 398/399). Die behagliche Polster-
bank des Eßplatzes am Fenster hat einen Bezug aus
geblümtem Leinenstoff. In das Büfett gegenüber ist
ein praktisches Schreibfach eingebaut. Die Wände
sind blaßgrün und seidig gespritzt, das Fenster ist mit
einem weißen, rot getupften Gewebe bekleidet; beider-
seits des Fensters stehen Bambusstangen mit je drei
Tragflächen für Topfpflanzen. - Für das Schlafzim-
mer dieser Wohnung (Abb. S. 400/401) wurde Rosen-
holz in Verbindung mit poliertem Makassar verwen-
det. An der nischenartig vertieften Bettwand bilden

1938. XII 1
 
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