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Fischer, Theodor: Gedanken zur neuen künstlerischen Form
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10969#0045
GEDANKEN ZUR NEUEN KÜNSTLERISCHEN FORM
Form ist alles: Baum und Berg, Bau und Bild; arbeitet hatte, wobei ihm die Historie Vermittlerin
auch der Gedanke muß geformt werden, um war, und haspelte sie wie ein Filmband ein Jahr-
zu sein, und selbst den Urgrund alles Seins muß der hundert lang ab. Mit dem Fremdwort Tradition
Mensch nach seinem Bilde formen. nannte man, was tot war. Das deutsche Wort Über-
★ lieferung aber geht nicht auf die äußerliche Form,
Wenn auch der Wechsel ein Gesetz der lebendigen es geht auf das Wesen.
Form ist, so ist da freilich noch ein Tieferes, das dem *
Wechsel entzogen bleibt, das nahe an den Untergrund Die Idee der Erneuerung ist deutsch und nicht
aller Dinge hinreicht, das ist Maß und Zahl. Aus dem international. International ist die technisch-kon-
Unterbewußtsein konnte es dem Menschen nicht ganz struktive Komponente. Das ist nicht das Wesent-
verschwinden. Es wird wieder in das Licht des Be- liehe; vielmehr der Bruch mit dem Formalismus
wußten emportauchen. Die Kunst, im Besonderen toter Tradition, die Rückkehr zum Gedanken, die
die neue Baukunst, ist reif dazu. Aufrichtigkeit der Gesinnung.
Da der Mensch keine Kraft mehr dazu fand, den Die Kunst wächst wie ein Stück lebendiger Natur
Ausdruck seiner selbst und seiner Zeit in eigener als Ausdruck des Menschengeistes. Immer ist sie ein
Form zu schaffen - denn sein Auge war stumpf ge- Spiegel der menschlichen Gesellschaft. Auch ihre
worden, und die Wirtschaft und die Technik er- Zerrissenheit und Roheit ist eben nur ein Spiegelbild
füllten sein Denken —, da er aber wiederum des Spiels gewesen. Wenn nun die Gesellschaft einheitlich wird,
in der Form doch nicht ganz entbehren mochte, so wenn Klassen- und Glaubenshaß verschwindet, wird
lieh er die Formen, die die Vergangenheit sich er- die Kunst von selbst einheitlich und gut. - th.fischer
Aufnahmen : Gauß
»geschirrtruhe aus dem nebenstehenden speisezimmer« ausf.erwin behr-wendlingen
Form ist alles: Baum und Berg, Bau und Bild; arbeitet hatte, wobei ihm die Historie Vermittlerin
auch der Gedanke muß geformt werden, um war, und haspelte sie wie ein Filmband ein Jahr-
zu sein, und selbst den Urgrund alles Seins muß der hundert lang ab. Mit dem Fremdwort Tradition
Mensch nach seinem Bilde formen. nannte man, was tot war. Das deutsche Wort Über-
★ lieferung aber geht nicht auf die äußerliche Form,
Wenn auch der Wechsel ein Gesetz der lebendigen es geht auf das Wesen.
Form ist, so ist da freilich noch ein Tieferes, das dem *
Wechsel entzogen bleibt, das nahe an den Untergrund Die Idee der Erneuerung ist deutsch und nicht
aller Dinge hinreicht, das ist Maß und Zahl. Aus dem international. International ist die technisch-kon-
Unterbewußtsein konnte es dem Menschen nicht ganz struktive Komponente. Das ist nicht das Wesent-
verschwinden. Es wird wieder in das Licht des Be- liehe; vielmehr der Bruch mit dem Formalismus
wußten emportauchen. Die Kunst, im Besonderen toter Tradition, die Rückkehr zum Gedanken, die
die neue Baukunst, ist reif dazu. Aufrichtigkeit der Gesinnung.
Da der Mensch keine Kraft mehr dazu fand, den Die Kunst wächst wie ein Stück lebendiger Natur
Ausdruck seiner selbst und seiner Zeit in eigener als Ausdruck des Menschengeistes. Immer ist sie ein
Form zu schaffen - denn sein Auge war stumpf ge- Spiegel der menschlichen Gesellschaft. Auch ihre
worden, und die Wirtschaft und die Technik er- Zerrissenheit und Roheit ist eben nur ein Spiegelbild
füllten sein Denken —, da er aber wiederum des Spiels gewesen. Wenn nun die Gesellschaft einheitlich wird,
in der Form doch nicht ganz entbehren mochte, so wenn Klassen- und Glaubenshaß verschwindet, wird
lieh er die Formen, die die Vergangenheit sich er- die Kunst von selbst einheitlich und gut. - th.fischer
Aufnahmen : Gauß
»geschirrtruhe aus dem nebenstehenden speisezimmer« ausf.erwin behr-wendlingen