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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Gnirs, Anton: Eine vorrömische Nekropole innerhalb der Mauern des antiken Pola
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0043
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A. GnirS Eine vorrömische Nekropole innerhalb der Mauern des antiken Pola

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der römischen Okkupation verlassen wurde und
seit dieser Zeit niemals besiedelt worden ist.
Noch heute erkennt man deutlich die vom Innen-
lande kommende Zugangsstraße, die in mäßiger
Steigung tangential an den äußern Wallring des
Kastelliers heranführt. Hat sie diesen erreicht, so
führt sie, im rechten Winkel umbiegend, unter
den Mauern des Hauptwerkes dahin und gibt die
unbeschildete rechte Seite des Angreifers dem
Verteidiger preis. Dann erst tritt sie in den Wall-
gang ein, aus diesem auf das bewohnte Plateau
des Kastelliers. Bei der Wahl dieses Ortes fiel
wie bei Nesactium, Maesta und anderen Anlagen
auch das in die Wagschale, daß man von einer
zurückgezogenen Position aus den Ausblick und
den Weg aufs Meer hinaus frei haben wollte, ohne
von dort aus selbst bemerkt zu werden.* I 1)
Ob Pola selbst in der Kasteliierzeit eine An-
siedlung getragen hat, war bisher noch nicht Gegen-
stand einer Untersuchung gewesen. Was über die
Uranfänge dieser Stadt bekannt war, das gehörte
antiken Sagen an, welche die Gründungsgeschichte
Polas mit der Heimkehr der Argonauten aus Kol-
chis in Verbindung bringen.2) Inwieweit diesen ein
historisch verwertbarer Kern innewohnt, soll an
anderer Stelle untersucht werden.
Nun haben uns aber die untersten Kultur-
schichten des Stadtgebietes von Pola positive
Zeugnisse für eine vorrömische Epoche dieser Stadt
und deren Zusammenhang mit dem istrischen Ka-
stelliervolk erhalten.
Bereits in den Sommerferien 1900 traf man
auf ein Gräberfeld hinter dem Torgang der antiken
Porta Ercole, in unmittelbarer Nähe der mittelalter-
lichen Stadtmauer beim Bau eines Eiskellers. Nach
später eingeholten Erkundigungen war die Zahl der
b In gleicher Situation finden sich die mykenischen
Stationen Griechenlands, vor allem Mykenai selbst, das bis
in den rückwärtigen Teil der argolischen Ebene zurück-
gezogen von der See aus nicht gesehen werden kann, dabei
aber in beherrschender Lage freien Ausblick über die vor-
liegende Ebene und das sich daran anschließ ende Meer behält,
b Die ältesten Quellen, die von Pola sprechen, ge-
öhren dem III. Jh. v. Chr. an. Pola muß somit schon
lange vor der römischen Okkupation eine bedeutende, weit
über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Örtlichkeit
gewesen sein. Lykophron 1021 ff. und Kallimachos bei Strabo
I 2, 39 p. 46 bezeichnen Pola als kolchische Gründung.
Mela II 57 und Plinius Naturgeschichte III 129 wiederholen
diese griechischen Quellen (vgl. CIL V p. 3).
Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission I 1903

geöffneten und zerstörten Gräber jedenfalls ziemlich
groß. Leider wurden alle Funde verstreut und die
Fundstätte abgegraben, bevor Fachleute Kenntnis
davon erhielten. Nur wenige Fundstücke konnte ich
nachträglich noch einsammeln. Da brachte der Winter
1901 —1902 in nächster Nähe dieses Fundplatzes
die zufällige Aufdeckung eines weiteren Teiles
einer großen vorrömischen Nekropole innerhalb
der Mauern des antiken Pola. Ihre Durchforschung
ergab neues, wertvolles Material für die Geschichte
der istrischen Kastellieri und bleibt nicht ohne
Bedeutung für die Vorgeschichte Polas.
Ungefahr 20 m südlich von der Porta Ercole
wurde in den letzten Tagen 1901 eine Erdbewegung
begonnen, um die alte Stadtmauer sowie die ihr
vorlagernde Erdböschung abzutragen und die von
dem Mauerzug gehaltene Abdachungsfläche des
Kastellhügels in einer Länge von 12 m in das
Niveau des vorbeiführenden Viale Carrara zu
bringen und so eine Bauparzelle zu gewinnen.
Nachdem diese Erdböschung, die der alten Stadt-
mauer zu ihrer Verstärkung in der ersten Hälfte
des XIX. Jh. vorgelagert wurde, beseitigt war, traf
man auf den mittelalterlichen Mauerzug (Fig. 56 TP).
Derselbe ist aus mächtigen Quadern und Werk-
stücken erbaut, die insgesamt von antiken Bau-
werken herstammen und, nach kleinen unbedeu-
tenden Skulpturresten und Bearbeitungen zu
schließen, ursprünglich eine andere Bestimmung
hatten als in eine Befestigungsmauer eingefügt zu
werden. Gab es hier keine besonderen Funde,1) so
waren solche hinter der alten Stadtmauer zu er-
warten, wo sie Ergänzungen zu dem bringen sollten,
was an baulichen Überresten an der Weganlage
(Fig. 56 W) beobachtet wurde, die sich von der
Porta Ercole zur Via Castropola hinzieht.2) So
wurde auch alsbald unweit der Stadtmauer das Eck
eines antiken Gebäudes TV angetroffen.
Die schlechte Fundierung seiner Mauerzüge,
bei der man nur ungefähr 1 m tief in den aufge-
schütteten Boden hineingegangen war, und andere
Anzeichen ließen eine recht späte Zeit erkennen,
was durch einen kleinen Münzfund, der unterhalb
der Fundamente zu Tage kam, noch bestätigt
wurde. Die Mauern, die an dem aufgedeckten Eck
zusammenliefen, zeigten bereits durch ihre Orien-
b Jahreshefte des österr. arch. Inst. V Beibl. 163 ff.
2) Mitt. XXVIII (1902) 51. 122.
 
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