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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Wolters, Paul: Mitteilungen aus dem British Museum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0077

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Wolters, Mitteilungen aus dem Rritish Museum.

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einzelte Umstand mit Sicherheit hervorheben läfst. Doch genügt er und die nicht
seltenen ähnlichen Besonderheiten, wie z. B. ein in reiner Seitenansicht dargestellter
Schild (P 23, f), die Reliefs aus dem vierten Jahrhundert in eine weit jüngere Zeit
hinabzuriicken.

Die aus diesen Betrachtungen gewonnene Anschauung wird durch den Ver-
gleich der Reliefs von Priene mit den entsprechenden Gruppen vom Pergamenischen
Friese bestätigt. Keine Unterschiede von Belang ergeben sich allerdings bei der
aus dem Boden auftauchenden Gaia, den beiden, einen Felsblock erhebenden Händen
(.Inv. 174) und dem Unterteil einer lebhaft bewegten weiblichen Gestalt (Inv. 143),
Bruchstücke von denen das erstere mit dem Gegner der Hekate, letzteres mit dieser
selbst sich vergleichen läfst. Auch bei dem Giganten, welcher vom Löwen der
Kybele zerfleischt wird (Antiquities Taf. 19, 3. Overbeck d), ist die Abweichung
nicht streng beweisend, obwol wir zugestehen müssen, dafs die Haltung des Perga-
menischen Giganten, der sich zu seinem Gegner umzuwenden versucht und deutlich
erkennen läfst wie er eben erst zu Boden gestürzt ist, weit ausdrucksvoller und
künstlerisch wirksamer ist als die des Prienischen, der mehr von seiner linken Seite
sichtbar in einer Haltung am Boden kniet. die er schon eingenommen haben müfste,
ehe ihn der Löwe ergriff. Am klarsten ist das Verhältnifs bei der Kybele selbst
(Rayet Taf. 15, 13. Overbeck f). Die Bewegung ihrer Arme ist im Pergamenischen
Fries ganz durch die Handlung des Bogenschiefsens motivirt, und angemessen
motivirt; das Relief von Priene zeigt sie uns unthätig auf ihrem Löwen, in der
Rechten statt des Bogens das Tamburin, mit der Linken vermutlich statt des Pfeiies
ihr Gewand fassend. Das ist doch offenbar das gedankenlose Abschwächen eines
anderweitig frisch erfundenen und lebendig empfundenen Motivs. Der Eindruck,
dafs die Prienische Kybele das jüngere Werk sei, wird durch die Art wie die
Göttin reitet noch verstärkt. In Pergamon erscheint sie in jenem vornehmen, lang-
gestreckten Sitz, der den griechischen Frauengestalten eine solche Wtirde verleiht;
der Künstler folgte bei seiner Composition nicht allein dem Behagen an diesen
schönen Linien, sondern zugleich dem oben bereits angedeuteten Streben, seine
Gestalt möglichst in der Ebene zu zeichnen, sie fiir die Reliefcomposition zu stili-
siren. Der Künstler von Priene hat seiner Göttin zwar eine etwas nattirlichere
Haltung gegeben, aber indem er den Körper deshalb ganz in Vorderansicht bildete,
für den Schwung des Pergamenischen Vorbildes eine störende Unklarheit der Linien
und Schwerfälligkeit der ganzen Gestalt eingetauscht.

Wenn wir aus alledem den Schlufs ziehen müssen, dafs die Gigantomachie
von Priene jtinger ist als die von Pergamon, so bleiben andererseits so viele
Bertihrungspunkte, dafs wir den zeitlichen Abstand beider nicht zu grofs annehmen
werden. Offenbar spricht eine grofse Wahrscheinlichkeit dafür, dafs die Prienischen
Reliefs im Zusammenhange mit den Umgestaltungen des Orophernes, also um 158
v. Ch., entstanden sind; vgl. Furtwängler S. 308.

Eine kurze Bemerkung verlangt noch der Gegenstand der Skulpturen von
Priene. Dafs sich weitaus der gröfste Teil der Bruchstticke sicher auf die Giganto-

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