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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Helbig, Wolfgang: Über die Bildnisse des Platon
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0092

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Helbig, Bildnisse des Platon.

Mögliclikeit, an Pythagoras zu denken. Die athenische Herme ist, wie bereits bemerkt
wurde, im 3. Jahrhundert n. Chr. gearbeitet. Die geistige Richtung der damaligen
Generationen wurde aber vorwiegend durch zwei philosophische Systeme bestimmt,
die beide auf einem eigenthümlichen Synkretismus platonischer und pythagoreischer
Elemente beruhten, durch den Neuplatonismus, der verschiedene pythagoreische
Theorien und im Besonderen diejenige des Dualismus angenommen hatte22, und
den Neupythagoreismus, der in seinem dogmatischen Theile von der platonischen
Philosophie beeinflufst war23. Unter solchen Umständen scheint es ganz natürlich,
dafs damals die Porträts des Plato und des Pythagoras zu einer Doppelherme
vereinigt wurden. Pythagoras ist in ganzer Figur auf einer unter Kaiser Decius zu
Samos geschlagenen Mtinze24 und auf einem Contorniaten35 abgebildet. Doch geben
beide Stempel den Kopf in zu ldeinen Verhältnissen wieder, als dafs er sich zu einer
ikonographischen Bestimmung venvenden liefse. Allerdings scheinen sie in einer
Hinsicht von dem Kopfe der attischen Herme abzuweichen, nämlich darin, dafs sie
die Stirn nicht kahl, sondern von herabfallendem Haare bedeckt darstellen. In-
defs schliefst dieser Unterschied die von mir vorgeschlagene Deutung keineswegs
aus. Alle Wahrscheinlichkeit spricht daftir, dafs von Pythagoras kein ikonisch.es
Porträt vorhanden war. Wenn demnach die Künstler dasselbe in späterer Zeit aus
ihrer Phantasie heraus gestalten durften, so kann es nicht befremden, dafs sich
mehrere Ktinstler an dieser Aufgabe versuchten und die von ihnen erfundenen
Typen verschieden ausfielen. Die beiden angeführten Mtinzstempel beweisen, dafs
Pythagoras im Alterthum zum Mindesten unter zwei verschiedenen Typen dargestellt
wurde. Auf der Mtinze von Samos zeigt er einen runden Kopf und kurzen Bart,
während der Kopf auf dem Contorniaten auffällig lang erscheint, und ein spitzer
Vollbart von dem Kinne auf die Brust herabhängt26.

W. Helbig.

22) Zeller die Philosophie der Griechen III 2 p.
685 fr.

23) Zeller a. a. O. III 2 p. 5iiff.

24) Visconti Iconografia greca I T. XVII 1 p. 160;
Schuster Die erhaltenen Porträts der griech.
Philosophen T. I 1 p 4.

25) Visconti a. a. O. I T. XVII 3 p. 197—198; Sa-
batier description des medaillons contorniates pl.
XV 1 p. 96.

26) Mit einern ähnlichen langen Barte dachte sich
Martial ep. IX 48 den Pythagoras:

Sic quasi Pythagorae loqueris successor et heres,
Propendet mento nec tibi barba minor.
 
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