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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Schwabe, Ludwig: Wagenlenker: Bronze in Tübingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0189

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Schwabe, Wagenlenker.

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noch etwas überbietet) steht dem sehnigen, gestählten Lenker gut an. Besonders be-
zeichnend sind die vorn und seitwärts flachen Oberschenkel (s. die Abbildung rechts),
das lrohlleibige des vorgebeugten Oberkörpers, der bestimmte Ansatz der Weichen,
und namentlich der deutlichst herausgearbeitete Brustkorb. Die Hände und Vorder-
arme lraben gelitten und stehen überhaupt dem übrigen etwas nach: um so schöner
sind die Füfse. Die Vorziige der Aegineten sind in unserer Bronze bewahrt ohne
jene der Natur widersprechenden Eigentümlichkeiten derselben, z. B. in der Bildung
des Brustknorpels, des geraden Bauchmuskels, der Fiifse (s. M. Wagner’s Bericht
über die aeginet. Bildwerke S. 97 ff.), der schrägen und vorliegenden Augen (doch
s. Anm. 15).

Aufser der lebensvollen Ausführung des Körperlichen verdient auch die auf’s
glücklichste der Handlung angepasste und künstlerisch abgewogene Stellung unsere
Bewunderung. Man beachte z. B. den Gegensatz im Vor- und Zurückgehen der Arme
und Beine, der rechten und linken Körperhälfte, dann die leise Wendung des Kopfes
nach rechts, welche zu der beschwichtigenden Bewegung der Hand stimmt u. s. w.,
und man wird in dem kleinen Werk einen unerwarteten Reichtum künstlerischer
Motive entdecken27.

Wie im rein Körperlichen unsere Bronze einen Fortschritt über die Aegineten
zeigt, so auch im Geistigen. Der Zwiespalt, der uns bei den Aegineten stört, wenn
wir die Köpfe mit den Leibern vergleichen, ferner jenes aktmäfsig Schematische
in den Stellungen der Aegineten ist hier iiberwunden. Der Archaismus, der in den
Aeginetenköpfen wie eine Fessel empfunden wird, ist hier so weit gemildert, dafs
Antlitz und Körper vollkommen harmonisch zusammengehen, ohne dafs der eigen-
artige Reiz, welchen die archaische Kunst ihren Schöpfungen zu verleihen weifs,
irgendwie in seiner Unmittelbarkeit und Frische litte. Der gehaltene Ausdruck des
feinen aufmerksamen Gesichts stimmt zur Handlung vortrefflich. Bei dieser wohlthuen-
den Harmonie zwischen Erfindung und Ausführung ist die Frage miifsig, ob dem
Künstler des kleinen Werkes etwa nur das Verdienst der letzteren, nicht aber auch,
sofern er vielleicht von einem Vorgänger den Typus entlehnte, das Verdienst der
ersteren zukomme: denn es fehlen uns alle Mittel sie geniigend zu beantworten.

Die Ahnlichkeit mit den Aegineten beweist natürlich nichts für Herkunft aus
Aegina: wenigstens an peloponnesische könnten wir denken, wenn damit etwas ge-
wonnen wäre. Später als in die Mitte des fünften Jahrhunderts wird man die Her-
stellung der Bronze nicht ansetzen dürfen: wahrscheinlich wurde das Werk noch etwa
ein Jahrzehnt friiher verfertigt.

Tübingen.

L. Schwabe.

27) Overbeck, Gesch. cl. gr. Plastik i3, 189 nennt
unsere Bronze »die Krone . . . vielleiclit aller ar-

chaischen Bronzen«: ich habe dagegen niclits
einzuwenden.
 
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