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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Pfuhl, Ernst: Das Beiwerk auf den ostgriechischen Grabreliefs, 1, Die Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0103
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94

Pfuhl, Das Beiwerk auf den ostgriechischen Grabreliefs.

Reliefs ist besonders hervorzuheben ein Totenmahl, das in einer halbgeschlossenen
Halle vom Typus der südlichen Markthalle in Priene stattfindet: in dem einen Inter-
kolumnium sind zwei draußen im Temenos stehende Cypressen zu sehen216. Näher
gehen uns diejenigen Darstellungen an, auf welchen ein einzelner Baum geradezu
als Mal des Grabes erscheint. So aufzufassen ist das Bild einer weißen Lekythos:
vor einem Baume jederseits ein Mädchen mit den üblichen Gaben217. Auch in der
häufigen Verbindung von Altar und Baum nimmt dieser durchaus den Platz der
Stele ein; es ist bezeichnend, daß auf einem Reiterrelief aus Imbros neben dem
Altar statt des Baumes ein von der Schlange umwundener Pfeiler erscheint218.
Andrerseits ist der Grabbaum genau so zu beurteilen wie der Baum, unter den
man den Altar eines Gottes stellt: es ist die einfachste Form des Heiligtumes. Das
zeigt recht deutlich das in dem Abschnitt über die Pfeiler besprochene Relief Abb. II:
an dem Baume hängt ein geweihter Chiton.
Wie man die Seele in Menschengestalt am Grabe sitzend oder als kleines
Eidolon darum schwirrend darstellte, so ließ man sie als Schlange im Grabbaume
wohnen. Der Kunsttypus ist alt und wurde auf den Drachen des Hesperidengartens
wie auf den Wächter des goldenen Vließes, später auch auf die Schlange des
Asklepios angewendet. Zu seiner Entstehung mag beigetragen haben, daß Bäume
allgemein als Sitz von Dämonen galten und gelten219; auch die Seele des Klephten
setzt sich ja als schwarze Schwalbe auf die Cypresse und schaut dem Kampfe zu.
Ursprünglich sind alle Vögel, die im Grabhaine hausen, Seelen 220. Für die helle-
nistische Zeit ist es bezeichnend, wie allgemein man jenem alten Gedanken Aus-
druck gab, während man doch gleichzeitig den Toten Häuser baute, in welchen ihre
Porträtbilder standen.
SCHLUSS221.
Auf den besprochenen Reliefs erscheinen neben den Toten Grabmäler ver-
schiedenster Art: Stele, Pfeiler und Herme, das Denkmal mit der Rundbasis, Altar
und Trapeza und Baum. Prüfen wir, ob die Erscheinung vereinzelt ist oder ob sie
sich einem größeren Zusammenhänge einfügt.
Von gleichzeitigen Denkmälern wurden schon mehrfach die kleinasiatischen
Terrakotten zum Vergleich herangezogen. Da die meisten von ihnen aus Gräbern
stammen, so sind die sepulkralen Typen, deren Verständnis Furtwängler erschlossen
hat, darunter stark vertreten 222. Es finden sich nun so häufig Pfeiler, Säulen, Hermen

2ie) Aus Samos in der Ermitage, Catal. d. Skulp-
turen (russisch) Nr. 95 mit Abbildung, die
unten wiedergegeben wird; Stephani, Ausruh.
Herakles S. 82; alte Abbild, bei Tournefort,
Voyage du Levant I S. 322.
217) Berlin Inv. Nr. 3138. Trotz der schlechten Er-
haltung des Gefäßes scheint mir die Darstellung
gesichert — man könnte sonst an Charonbilder
wie Murray T. 12 denken. — Vgl. auch das
Epigramm Anthol. VII 171.

218) Siehe oben S. 65 Anm. 8.
219) Vgl. Grünbaum bei Biehkowski, Eranos Vindo-
bonensis S. 292.
22°) Vergl. Rohde, Psyche2 I, S. 230. S. auch das
Heroenrelief von Luku, Anm. 103.
221) Der zweite Teil dieser Abhandlung wird einen
weiter ausgreifenden, die Ergebnisse des ersten
Teils verwertenden Schlußabschnitt bringen.
222) Samml. Saburoff II 16 ff.
 
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