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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 22.1907

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Weicker, Georg: Eine polychrome Lekythos in Bonn
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https://doi.org/10.11588/diglit.44282#0121
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G. Weicker, Eine polychrome Lekythos in Bonn. III

Mit der Absicht nun, diese Gespensterhunde von der Fährte, von der gehetzten
armen Seele abzulenken, sie zu besänftigen oder zu täuschen, könnte man die
Terrakottahasen und hasenwürgenden Hunde in den Gräbern zu erklären versuchen.
Aber dann müßte der Hase ein Seelentier von allgemeinster Geltung sein,
und dafür fehlen, einstweilen wenigstens noch, die Beweise. Denn an der Deutung
des hasenköpfigen Mannes auf der Fikelluravase des Louvre37 als Deimos38 wird
kaum zu rütteln sein, und daß einmal ein Hase als weisendes Tier, als Epiphanie
der Artemis erscheint,39 ist in deren Wesen als Jagdgöttin genügend begründet.
Das entzückende Bild einer polychromen Lekythos im Athener National-
museum 4° aber gehört, wenngleich die Deutung im einzelnen nicht mit voller
Sicherheit gegeben werden kann, durchaus in den Kreis der sepulkralen Genre-
bilder: im Hintergrund zwei gewaltige weiße Grabhügel, von denen der eine
frisch mit Binden geschmückt ist. Davor eine bindengezierte Stele, bekrönt von
einer Palmette zwischen Akanthusblättern. Vor ihr steht ein kleines Mädchen,
das mit graziöser Handbewegung den Mantel hält und zu einer Frau emporschaut,
die von rechts mit einem gefüllten flachen Korb zur Stele herantritt. Links sitzt
der Tote auf dem Felsen, stützt sich mit der Rechten auf die Steine und schaut
nach einem Hasen um, der zutraulich links hinter ihm auf einer Felsenkuppe sitzt.
Hohe Berge schließen links das Bild. Eine Lyra liegt auf einem gefüllten Korbe
hinter dem Jüngling. Er hat sie wohl eben beiseite gelegt, hatte sich wie andere
Selige am Leierspiel ergötzt, und erstaunt lauschten die Tiere der Felseneinöde,
selbst der scheue Hase, den ungewohnten Zauberklängen, die mit überirdischer
Macht sie in ihren Bann zwingen. Ein Seelenhase aber ist es deshalb noch nicht.
Leipzig. Georg Weicker.

37) Longperier, Musee Napoleon III Taf. 59, 1. 39) Paus. III, 22, 12; Gruppe, Griech. Mythologie
38) Milchhöfer, Arch. Zeitung XXXIX 1881, 286. 782, 792, 8.
4°) Collignon-Couve n. 1679. Έφημερις αρχαιολογική 1894 Taf. 2 S. 63 Stais.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXII.

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