Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 22.1907

DOI Artikel:
Pfuhl, Ernst: Zur Darstellung von Buchrollen auf Grabreliefs
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44282#0124
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
E. Pfuhl, Zur Darstellung von Buchrollen auf Grabreliefs.


erst nach Abschluß seines Manuskripts erschienen, und nur den ersten Teil meiner
Abhandlung hat Birt noch herangezogen. Um so nötiger scheint es mir, das, was
mein Material ergibt, alsbald zugänglich zu machen, und nicht erst die Einleitung
der künftigen Ausgabe mit einer diesbezüglichen Erörterung zu belasten. Ich er-
ledige vorab ein paar Irrtümer in Birts Behandlung meines Aufsatzes und folge
dann im wesentlichen dem Gange seiner Untersuchung.
Unverständlich ist es mir zunächst, wie sich Birt die Weihung von Büchern
im Totenkultus denkt (S. 225). Als Beispiele dafür nennt er folgende Reliefs:
1. Die späthellenistische Stele aus Halikarnass in Berlin Nr. 771. »Ein Jüngling nähert sich mit
Feierlichkeit einer hochstehenden Herme, hebt ein großes Diptychon am Henkel in seiner Rechten empor
und ist im Begriff, dasselbe am Querbalken der Herme aufzuhängen.« Daran ist falsch zunächst die
Angabe, daß der Jüngling sich der Herme nähere; er steht vielmehr in einem geläufigen Standmotiv
in Vorderansicht ruhig da, so weit wie möglich von der Herme entfernt und weiter nach vorn als diese.
Wenn er den Kopf nach links wendet und das Diptychon -—- das doch auch nicht einfach als Buch be-
zeichnet werden kann — dorthin erhebt, so ist ganz ungewiß, ob er es an der Herme aufhängen will;
mindestens ebenso berechtigt ist die allein durch Analogien auf gleichzeitigen Grabreliefs gestützte An-
nahme, daß er es dem Diener übergibt. Wenn er den Arm unnötig hoch hebt, so könnte das durch
einen Anruf an den in sich versunkenen Diener begründet sein; ich glaube aber, daß es sich einfach
um eine Typenübertragung handelt. Zu Füßen des Jünglings sitzt nämlich ein Hündchen, das die Pfote
zu ihm erhebt. Nun gibt es einen beliebten Bildtypus, der Kinder oder junge Leute zeigt, die Früchte,
Bälle oder was sonst halb gesenkt oder hoch erhoben über Hunden, Hähnen, Tauben halten; es ist
ein Nachkomme des alten Typus der Alxenorstele. Einmal hält auch ein Knabe eine Traube hoch über
seinem am Boden sitzenden Brüderchen, das danach greift.1 Dieser Bildtypus liegt auch hier zugrunde;
gedacht haben wird sich der Künstler dabei wohl, daß der Jüngling das Diptychon dem Diener gibt.
Dies zum Beweise dafür, wie gefährlich es ist, einzelne Denkmäler ohne Kenntnis der bildlichen Tradi-
tion, in der sie stehen, allzu scharf zu interpretieren. — 2. Die Stele Jahrb. XX 1905 S. 52 Abb. 5? Hier
ist eine Frau zwischen zwei Dienerinnen mit Fächer und Klappspiegel dargestellt, jederseits ein Pfeiler,
auf dem einen eine runde, auf dem anderen eine viereckige Ciste. Birt sieht darin Bücherkästen, sicher
mit Unrecht, denn bei Frauen kommen auf hellenistischen Grabreliefs nur äußerst selten Buchrollen vor,
während Kästchen und Truhen aller Formen, vorwiegend als Schmuckkästen gedacht, das typischste Attribut
der Frauen sind. Nicht einmal bei Männern braucht jeder Kasten Bücher zu enthalten, wenn dort auch
im allgemeinen diese Erklärung zutrifft. — 3. Die Stele in Verona, Dütschke IV Nr. 396, Jahrb. XX 1905
S. 53, Abb. 7. Zwischen Mann und Frau im Hintergrund ein Pfeiler, darauf ein Kasten und nach Birt
drei liegende Rollen, von denen man nur den Schnitt sieht, sowie zwei angelehnte — »die übliche Buch-
pentade«. In Anmerkung 6 teilt Birt mit, daß ich die ersten drei Rollen für Astragale hielte. Ich habe
diese Vermutung mit größter Reserve vorgetragen und hinter jeden Astragal ein Fragezeichen gesetzt.
Dütschkes Vermutung, es seien Rollen, haben Emmanuel Löwy und ich zu verschiedenen Zeiten vor dem
Original geprüft und gefunden, daß der eckigen und unregelmäßigen Form der Gegenstände nach höchst
wahrscheinlich keine Rollen vorliegen. Hinzu kommt die Gewohnheit der Künstler, unverständliche
Kurzansichten wo irgend möglich zu vermeiden — auf den Grabreliefs kommen meines Wissens niemals
Rollen in dieser Ansicht vor —, endlich die einzige Analogie, die ich anführen konnte: auf einem Pfeiler

*) Aus Smyrna, im Louvre. Phot. Giraudon 2044.
Athen. Mitt. XXIII 1898 S. 268.
2) Von Birt nur nach Michaelis, Ancient Marbles,
zitiert. Birt deutet in Anmerkung 3 an, daß
ich ein ähnliches Relief bei Michaelis S. 562
Nr. 89 fälschlich als Zeugen für die Darstellung
von Pfeilern auf Grabreliefs anführe, während
bei Michaelis kein Pfeiler, sondern nur ein Bort

erwähnt werde (so auch S. 255.) Ich habe
außer Michaelis auch die betreffende Photo-
graphie des Wiener Apparats zitiert, auf der
es ganz deutlich ist, daß kein Bort, sondern
ein Pfeiler vorliegt. Das kleine Versehen in
dem großen Werk von Michaelis habe ich
natürlich stillschweigend berichtigt. Birt ver-
wechselt übrigens meine Nr. 11 und 15.
 
Annotationen