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Jooss, Birgit
Lebende Bilder: körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.22768#0259
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5.2. Aus heutiger Sicht

5.2.1. Ausblick

Nach dem Wiener Kongreß kannte die Verbreitung der lebenden Bilder keine Grenzen mehr,
seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts waren sie auch in Nordamerika eingeführt.176 Ihre
Verwendung wurde heterogener und vielseitiger als zuvor: Die Traditionsstränge der Hof-
feste, der Theatertableaux, der religiösen sowie der politischen Präsentation hielten sich -
mehr oder weniger ausgeprägt - durchgängig. In starkem Maße bedienten sich ihrer nun aber
auch die entstehenden Künstlervereine, das Variete-Wesen, Turnervereine und vor allem bür-
gerliche Familienfeste. Eine entscheidend neue Komponente erfuhren die lebenden Bilder
mit der Einführung der Photographie. Der künstlerische Selbstzweck - also das Präsentieren
ohne direkten praktischen Sinn als Hinweis auf eine umfassendere Bedeutung - wurde im
Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr zugunsten ganz bestimmter Funktionszusammen-
hänge zurückgedrängt und erst seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen.
Performance-, Photo-, Video- und Filmkunst entdeckten das Medium für sich und bauten es
vielseitig aus.

Im 19. Jahrhundert lebten die Tableaux vivants weiterhin bei höfischen Festen fort, wo-
bei vor allem das Amüsement und immer stärker voyeuristische Aspekte im Vordergrund
standen. Man nahm das Stellen lebender Bilder nach mythologischen und historischen The-
men zum Anlaß, Nackte zu zeigen.177 Neben weiterhin traditionellen Präsentationen178 -

176 Vgl. Mac Cullough 1983. Er datiert die »Ankunft« der lebenden Bilder in Nordamerika auf das
Jahr 1831 und zeigt die Entwicklung dort bis um 1900 auf. Vgl. auch den Aufsatz von Lewis 1988
zu Salon-Tableaux in Amerika des 19. Jahrhunderts. Es existiert zu lebenden Bildern in der ameri-
kanischen Literatur eine Dissertation der Cornell University von Mary Chapman mit dem Titel
»,Living pictures': Women and Table aux-vivants in N inet eenth-Century american fiction and
culture.«, die 1992 entstand, mir jedoch nicht zugänglich war. Zu lebenden Bildern im amerikani-
schen Film, Radio und Fernsehen, vgl. Chapman 1996.

177 Vgl. Rimels. In: Enciclopedia dello Spectacolo. Bd.8. 1961. S.613.

178 Lebende Bilder wurden sowohl bei Adel als auch beim Großbürgertum, später auch beim Kleinbür-
gertum in den untersuchten Strukturen durch das ganze Jahrhundert fortgeführt. Reissberger unter-
sucht diese traditionellen lebenden Bilder für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wien. Ihre
Arbeit vor allem in Hinblick auf das. bürgerliche Verständnis ist mit viel Quellenmaterial hervorra-
gend dokumentiert, vgl. die Artikel von Reissberger 1982 und 1994. Weitere ausgewählte Beispie-
le: Vgl. Bernstorff 1896. Bd.2. S.141-43. Vgl. Carus (1841). In: Janssen 1966. Bd.2. S.83-85. Vgl.
Egloffstein 1923. S.384. Vgl. Herwig 1965. Bd.3,1. S.239, 274 und 740. Vgl. Kind 1825. S.10. Vgl.
Literary Gazette. 20.11.1824. S.749. Vgl. Marwitz 1908. S.89 und S.364. Vgl. Reichardt (1809).
In: Guglitz 1915. Bd.2. S.19-20. Vgl. Schadow 1849. S.154, 250-251 und 257. Vgl. Wilkie. In:
Cunningham 1843. Bd.3. S.67. Vgl. Mann 1971, Bd.18, S.417-418. Freundlicher Hinweis von Dr.
Andreas Edel. Vgl. Putlitz 1894, Bd.L, S.38, 174, 198, 204, Bd.2., S.6, 95 und Bd.3., S.5 und 60.
Vgl. Putlitz 1875, S. 111-115 u.255-257. Vgl. Putlitz 1885, S.136-141. Vgl. Putlitz 1931, $.11, 17
und 20. Sekundärliteratur: Vgl. Altick 1978. S.343-47. Vgl. Harten 1974. S.47-48. Vgl. Hartmann
1976, S.131. Vgl. Holmström 1967. S.227. Vgl. Kindermann 1962. Bd.5. S.569. Vgl. Lamme!
1986. S.222-225 und S.230-236. Vgl. Langen 1968. S.235-236 u. S.255. Vgl. Paulsen 1981, S.126-
127. Vgl. Rüssel 1972. S.36. Zu Aufführungen in Rom: Privataufführung zur Unterhaltung inner-
halb eines Carnevalsfests am 14.2.1826 in Rom im Haus der Mrs. Stark(i)e mit Raffaels »Sibylle«,
vgl. David Wilkie to Miss Wilkie (Schwester), Rome, 15th February, 1826. In: Cunningham 1843.
Bd.II. S.240-241. Vgl. Athenaeum. 28. August 1830. S.541. Vgl. Altick 1978. S.354. Privatauf-
führung zur Unterhaltung bei der Gräfin von Westmoreland im Winter 1826/27 in Rom mit Guercinos

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