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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Rüttenauer, Benno: Maler und Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0141

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-b*S^> MALER UND KÜNSTLER <^=^

Rembrandt, gelegentlich einmal zur Laune, viel-
mehr zur Selbstunterrichtung und Uebung
in Handhabung der Ausdrucksmittel. Die
ganze Kunst Rembrandts ist dann auch drin
in einem solchen Stück, aber nicht der ganze
Rembrandt, und es liegt auf der Hand, daß
Rembrandt nicht der Rembrandt wäre, wenn
er nichts gemalt hätte als blutige Schweins-
rippen. Der Satz ist ja bis zur Lächerlichkeit
einleuchtend.

Und darum ist es wahr: Wer Bilder malt,
die uns eine neue, originelle, außerordent-
liche Anschauung der Welt geben, der Welt
in ihren Höhen und Tiefen, daß wir durch
sie hindurch selber die Welt mit neuen Augen
sehen, wie wenn sie uns neu geoffenbart
würde, wer uns nicht etwa nur einen dumpfen
Winkel und Fleck der Welt, sondern die
Welt, wo sie am tiefsten ist, und die Welt,
wo sie am höchsten ist, neu schenkt mit
seinem Malen, der ist mehr, viel mehr als
der andere, der uns nichts offenbaren kann
als die Raffiniertheit seiner Malersinne. Er
ist mehr, wenn auch seine Malerqualitäten
keine höheren sind. Und eigentlich ist das
für jeden Vernünftigen selbstverständlich.
Jener kann im Verhältnis ein armer Teufel
sein, trotz seines Künstlertums; dieser ist
notwendig ein Reicher, Mächtiger, Großer.
Er ist ein idealer Weltschöpfer, ein Poeta.

Dieser Gedanke liegt auch dem Worte
Malerpoet zugrunde. Nicht wir Deutschen zu-
fällig, sondern die künstlerisch sinnlichen
Franzosen haben das Wort gestempelt. Wer
freilich damit ein Hinschielen nach dem Dich-
ter verbindet, der fälscht die Prägung. Es
ist in der Tat für die meisten ein gefähr-
liches Wort. Aber nicht nur der Dichter
ist Poet, jeder Künstler ist es, der mit den
Mitteln seiner Kunst unsere Empfindung und
unser Gefühl von der Welt ins Außerordent-
liche steigert, und uns teilhaben läßt an den
Reichtümern seiner eigenen außerordentlichen
Seele.

Die rein künstlerische Begabung, und der
Genius, der sie handhabt — man wird sich
hoffentlich an dem mythologischen Ausdruck
nicht stoßen — sind eben zweierlei. Die
spezifische Begabung und ihre Ausbildung
bedeuten sogar das wenigste. Das gilt für
alle Künste. Stephan George und Konsorten
haben uns bewiesen, daß Goethe kein ganzes
Dutzend guter Verse gemacht hat, aber ich
denke, Goethe sei auch in seinen anderen
Versen doch etwas mehr als Stephan George.

„Wenn auch seine Malerqualitäten keine
höheren sind", habe ich vorhin gesagt. Aber
auch, wenn sie viel geringer sind. Darauf

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