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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Rüttenauer, Benno: Maler und Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0143

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-b-^> MALER UND KÜNSTLER <^-5-

kommt es an, was er mit den Mitteln, die ihm Tätigkeit, oder die wenigstens für eine ganze
zu Gebot stehen, ich meine mit den Aus- Gruppe von Künsten erforderlich sind. Die
drucksmitteln, künstlerisch zu sagen vermag. rein malerische Veranlagung, sagen wir das
Nicht in Frage kommt, wessen Ausdrucks- absolute Malerauge, die absolute Malerempfin-
mittel unzulänglich sind; er ist notwendig ein dung, wodurch man etwa ein Velasquez wird,
unzulänglicher Künstler. Aber die Ausdrucks- sie kann der graphische Künstler, der Bildner,
mittel einer Kunst sind mannigfaltig. der Architekt entbehren. Aber es gibt Ge-

Franz Hals ist einer der größten Maler setze, die allen diesen Künsten gemein sind,
aller Zeiten. Ein so absoluter „Maler" ist und wofür das Gefühl jedem Künstler, welche
z. B. ein Michelagnolo bei weitem nicht. Ja, spezielle Kunst er auch treibe, lebendig ein-
wenn man den Sinn und Begriff des Maler- geboren sein muß. Wer diese allgemeinen
tums, das ein Franz Hals repräsentiert, recht Gesetze höchst lebendig und wirkend im Ge-
streng und eng nimmt, so wird man immerhin fühl trägt, ist als Künstler dem anderen weit
den Satz wagen dürfen: In diesem Sinn war überlegen, der die spezifischen Anforderungen
Michelagnolo „eigentlich" überhaupt kein „Ma- seiner Kunst wohl im höchsten Grad erfüllt,
ler". Wer wollte aber leugnen, daß er, auch aber für jene allgemeinen künstlerischen Vor-
wo er nur malt, nicht viel mehr sei? aussetzungen nur ein schwaches, unsicheres,

;: unzulängliches Organ besitzt.

* Ein Michelagnolo ist im spezifischen Sinn

Zu demselben Resultat führt übrigens auch des Wortes ein viel geringerer Maler als
eine rein formale Betrachtung. Und viel- Velasquez, aber er ist dennoch, auch wo er
leicht ist diese sogar, weil bündiger und klarer, nur malt, viel mehr als Velasquez.
noch überzeugender und einwandfreier. Ich möchte den sehen, der die Sixtinische

Jede Kunst setzt zweierlei Anlagen und Kapelle kennt und das leugnen wollte, wie
Fähigkeiten voraus, einmal ganz spezielle, hoch er auch die Einzigheit des Phänomens, das
die in den anderen Künsten entbehrlich sind, der große Spanier darstellt, anschlagen mag.
und dann solche, die für jede künstlerische Vielleicht ist es noch nötig — es sollte

aber allerdings nicht nötig sein — zu
betonen, daß hier bei der künstleri-
schen Einschätzung der Sixtinischen
Kapelle durchaus abgesehen wird von
dem „philosophischen oder religiösen
Gehalt" dieser Malerei, mit deren
Deutung und Auslegung Dichter und
Gelehrte schon ganze Bände gefüllt
haben und noch immer wieder füllen
werden. Für unsere Art Betrachtung
existiert dieser Gehalt nicht einmal.
Wir bleiben dabei — und das kann
nicht eindringlich genug wiederholt
werden — ganz in der Sinnlichkeit.
Auch wo wir von Weltanschauung
reden. Wir gebrauchen das Wort An-
schauung dabei in seiner ursprüng-
lichsten Bedeutung. Der Philosoph
und Dichter Michelagnolo geht uns
hier nichts an. Wir ignorieren ihn
hier vollständig. Wir sind so frech,
ihn hier mit Geringschätzung zu be-
handeln.

Wenn wir sagen, Michelagnolo als
Maler der Sixtinischen Kapelle ist
eigentlich ein geringerer Maler als
Velasquez, aber er ist zugleich mehr
als Velasquez, so beziehen wir dieses
„mehr" einzig und allein auf den
darstellenden Künstler, wie er sich

ACt, fkt '

claus meyer mein sohn hans peter offenbart in rein künstlerischen Qua-

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