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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Plehn, Anna L.: Das Weiss in der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0161

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DAS WEISS IN DER DEUTSCHEN MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS

in der Deutschen Jahrhundertausstellung zu erstrebte Ton von „Milch und Blut" vor-
verfolgen, wie sich unsere Landsleute zu dieser behalten blieb. Uebrigens konnte man sich
Frage gestellt haben. mit diesem Verhalten auf die besten Vorbilder

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das berufen, mit denen diese Maler sich keines-
Weiß im ganzen ziemlich stiefmütterlich be- wegs messen durften. Wie oft hatte Tizian
handelt. Graff ordnete es in den meisten gegen allen Augenschein mit königlicher Will-
Fällen zugunsten des Gesichtstons sehr unter. kür das Weiß so mit Grau durchfurcht, daß es
Wilhelm von Schadow und Wach hielten auch zum bescheidenen Diener der lichten Frauen-
nicht viel vom Weiß. Und so dachten noch Schönheit wurde. Und nach ihm hatten viele
viele andere. Besonders für Frauenporträts andere dasselbe Prinzip befolgt. Die Deutschen
wollten die Wenigsten dem Gesichtston einen vom Anfang des 19. Jahrhunderts werden
Konkurrenten geben. Und wenn auch weiße solche Tradition für sich in Anspruch genom-
Kleider sehr beliebt waren, wobei man gern men haben. Da sie im allgemeinen in kolo-
an die Eleganz Van Dycks dachte, so durften ristischen Dingen ziemlich ahnungslos waren,
sie doch in der Regel nicht das Hellste im werden sie kaum bemerkt haben, daß neben
Bilde sein. Durch viele Falten und Reflex- diesem degradierten Weiß auch das, was ihr
färbungen wurde der Stoff so verdunkelt, daß Lichtes vorstellte, farbigen Reiz so sehr Ver-
den Gesichtern die Helligkeit und zwar der missen ließ. Wobei Graff eine Ausnahme bildet.

Selbst die Gruppe von Lichtma-
lern, welche als Entdeckung der
Jahrhundertausstellung gelten, ha-
ben sich zu wirklichem Weiß nur
ausnahmsweise bekannt. Philipp
Otto Runge war der erste seines
Jahrhunderts, der in einem einzel-
nen Fall, in der Allegorie des
Tages, durch lebhafte Unterschei-
dung des Kalten und Warmen der
Natur des Lichts nahezukommen
suchte. Aber im Weiß, besonders
beim Porträt, verkannte auch er
den kühlen Wert. Er behandelte es
ziemlich unsanft. Durchkreuzte es
im hellen Licht mit schwerem
Grau — er meinte Sonnenschein
damit auszudrücken. Bei zerstreu-
tem Licht machte er aus einem
Leinenkragen ein freudlos graues
Ding. Er hat weder warme noch
kalte Farbe. Das Gesicht erscheint
dagegen hell.

Selbst Kersting, der in ein paar
Jugendbildern bei aller biedermeie-
risch vorsichtigen Abschwächung
des Kolorits so viel von althollän-
discher Kultur verrät, läßt sich das
Weiß als hellste Pikanterie ent-
gehen, das grade seinen zarten gel-
ben und graugrünen Nuancen als
Auffrischung gut getan hätte. Bei
Wasmann spielt allerdings zwischen
überraschend hellfreudigen Land-
schaftstönen das Wolkenweiß eine
bemerkenswerte Rolle, im geschlos-
senen Raum unterdrückt er diese
Note aber lieber, wie besonders
reinhold begas «« Denkmal Alexander eine feine Tiroler Interieurstudie

v. Humboldt (Entw urf) zeigte. Ebenso war es in jenem

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