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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Roessler, Arthur: Wie ich zu Whistler kam: die Erinnerung eines deutschen Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0027

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WIE ICH ZU WHISTLER KAM

F. VON STUCK SCHLAFENDER FAUN

würde nur beweisen, daß das Bild noch un- Rätsel, dem gebildeten Menschen ein Ausdruck

vollendet und ausstellungsunfähig ist. von Empfindung und Wohlklang.

In der Kunst ist der Fleiß eine Not — Die Kunst ist ohne Grenzen. Es gibt in ihr

keine Tugend; und jedes Merkmal desselben kein Anfangen, also auch kein Fortschreiten,

in einem Kunstwerk ist ein Schandfleck — kein Ein stiller Beweis ihrer völligen Unabhängig-

Vorzug, ein Beweis, nicht von Durchführung, keit von jedem äußerlichen Fortschritt, ist der

sondern von durchaus ungenügender Arbeit, absolut unveränderliche Zustand und die Form

Denn nur Arbeit kann die Spuren von Arbeit ihrer Werkzeuge vom Anbeginn der Dinge. Der

verwischen. Maler hat denselben Stift, der Bildhauer den-

Das Werk eines Meisters riecht nicht nach selben Meißel seit Jahrhunderten.

Schweiß, verrät keinerlei Anstrengung — es ist Es gibt nicht mehr Farben, seit die schweren

beendet, vollkommen von Anfang an. Vorhänge der Nacht zuerst beiseite gezogen

Das zu Ende gebrachte Ergebnis von Aus- und die Herrlichkeiten des Lichts enthüllt

dauer allein wird trotz alledem unvollendet wurden."

bleiben in Ewigkeit — ein Denkmal des guten Ganz für sich auf ein schönes Blatt ge-
Willens und der Torheit. schrieben und eingerahmt fand ich:

Das Meisterwerk soll dem Künstler wie eine „Kunst ist die Wissenschaft des Schönen!"

Blume erscheinen: schon so vollkommen in Das, was ich da von den Wänden ablas, und

der Knospe wie in der Blüte; ohne erklärbaren durch mündliche Berichte von Whistler erfuhr,

Daseinsgrund, ohne eine Mission zu erfüllen, machte mich begierig, den Mann kennen zu

dem Künstler eine Freude, dem Botaniker ein lernen. Ich erkundigte mich, wann ich ihn im

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