AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS
heinrich von zügel auf staubiger strasse (i90s)
Winter-Ausstellung der Münchner Secession
muß die Erscheinungen der Natur überschraubt geschürzten Rock, ein schwarzhaariger, wildfanatisch
und überspitzt zum Ausdruck bringen. Darauf dreinblickender Mann, S. Paulus, der das blanke
gründet sich ja der Unterschied zwischen Natur ^wert R'Th„ArH™ *Uf Peine, Schriftstelle seines
& ' . . ottenen Buches deutet. Ein loderndes Feuer geht
und Kunst. Die Natur ist die Folie. Die Kunst von diesem hageren Asketen aus, der frei von
ist kondensierte, übertriebene Natur. allen Merkmalen herkömmlicher Heiligenmalerei
„Fröhliche Farbigkeit" — das ist das Cha- gerade uns modernen Menschen im höchsten Maße
, . . -y- , ,r -.r ■ j-, wahr und ungekünstelt erscheint, uns, die wir nur
raktenstikum von Zügels Kunst. Keine Bunt- in eine jener Versammlungen zü gehen brauchen,
heit, die in Flächen grelle Lokalfarben neben- wie sie die Heilsarmee abhält, um den Typus dieses
einanderstellt, wie die jüngsten Franzosen und Apostels kennen zu lernen. In scharfem Gegensatz
ihre deutschen Imitatoren, sondern eine Farbig- zu. ihm steht der heilige Matthäus auf der Gegen-
. . . ,„,. . .____, .___~ seite: hier sitzt ein langbartiger, milde blickender
ke.t, deren Wirkung von innen herauskommt, Mann bei seiner Schreibarbeit, ein jugendlicher,
die voll des Leuchtens, voll des Glanzes ist. buntgeflügelter Engel ist neben ihn getreten und
richtet mit einer Wendung zu dem Heiligen seine
_ Augen himmelwärts. Der Eindruck, der von diesem
Teil des Ganzen ausgeht, ist schwächer, man denkt
bei dem Matthäus zu stark an das Modell und
AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS empfindet den dargestellten Augenblick der gött-
lichen Botschaft nicht als ganz glaubwürdig. Darum
r\as Ereignis der letzten Zeit war die Ausstellung kehrt der Blick zu der prägnanten, eminent durch-
*-* des großen dreiteiligen Altarbildes, das Lovis fühlten Figur des Paulus zurück und zu dem Christus,
Corinth der Kirche seiner Vaterstadt Tapiau der bei aller Betonung der Todesschrecken und
zum Geschenk bestimmt hat, im großen Saal des Marterwunden doch edel und schön bleibt. Daß
Kunstsalons Cassirer. Es zeigt in dem erhöhten dem Künstler hierbei das große Vorbild Grünewalds
Mittelstück den ans Kreuz gehefteten Heiland vorgeschwebt hat, ändert nichts an dem reinen Ge-
mit schmerzhaft gekrümmten, blutig durchbohrten samteindruck: es ist nicht zu verkennen, daß wir
Händen und Füßen vor einem wildzerrissenen in Corinths Tapiauer-Altar eine der bedeutendsten
grau-weißen Gewitterhimmel in öder Felslandschaft. Leistungen kirchlich-religiöser Malerei seit langer
Die linke Seite des Altares fesselt durch eine seit- Zeit vor uns haben. Er beweist, daß wir uns
sam-eindrucksvolle Gestalt: hier steht vor einer eben nicht an hohlgewordene, traditionelle For-
leichtfarbig angedeuteten Mauer in blauem, kurz men akademischer Schönmalerei klammern dürfen,
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heinrich von zügel auf staubiger strasse (i90s)
Winter-Ausstellung der Münchner Secession
muß die Erscheinungen der Natur überschraubt geschürzten Rock, ein schwarzhaariger, wildfanatisch
und überspitzt zum Ausdruck bringen. Darauf dreinblickender Mann, S. Paulus, der das blanke
gründet sich ja der Unterschied zwischen Natur ^wert R'Th„ArH™ *Uf Peine, Schriftstelle seines
& ' . . ottenen Buches deutet. Ein loderndes Feuer geht
und Kunst. Die Natur ist die Folie. Die Kunst von diesem hageren Asketen aus, der frei von
ist kondensierte, übertriebene Natur. allen Merkmalen herkömmlicher Heiligenmalerei
„Fröhliche Farbigkeit" — das ist das Cha- gerade uns modernen Menschen im höchsten Maße
, . . -y- , ,r -.r ■ j-, wahr und ungekünstelt erscheint, uns, die wir nur
raktenstikum von Zügels Kunst. Keine Bunt- in eine jener Versammlungen zü gehen brauchen,
heit, die in Flächen grelle Lokalfarben neben- wie sie die Heilsarmee abhält, um den Typus dieses
einanderstellt, wie die jüngsten Franzosen und Apostels kennen zu lernen. In scharfem Gegensatz
ihre deutschen Imitatoren, sondern eine Farbig- zu. ihm steht der heilige Matthäus auf der Gegen-
. . . ,„,. . .____, .___~ seite: hier sitzt ein langbartiger, milde blickender
ke.t, deren Wirkung von innen herauskommt, Mann bei seiner Schreibarbeit, ein jugendlicher,
die voll des Leuchtens, voll des Glanzes ist. buntgeflügelter Engel ist neben ihn getreten und
richtet mit einer Wendung zu dem Heiligen seine
_ Augen himmelwärts. Der Eindruck, der von diesem
Teil des Ganzen ausgeht, ist schwächer, man denkt
bei dem Matthäus zu stark an das Modell und
AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS empfindet den dargestellten Augenblick der gött-
lichen Botschaft nicht als ganz glaubwürdig. Darum
r\as Ereignis der letzten Zeit war die Ausstellung kehrt der Blick zu der prägnanten, eminent durch-
*-* des großen dreiteiligen Altarbildes, das Lovis fühlten Figur des Paulus zurück und zu dem Christus,
Corinth der Kirche seiner Vaterstadt Tapiau der bei aller Betonung der Todesschrecken und
zum Geschenk bestimmt hat, im großen Saal des Marterwunden doch edel und schön bleibt. Daß
Kunstsalons Cassirer. Es zeigt in dem erhöhten dem Künstler hierbei das große Vorbild Grünewalds
Mittelstück den ans Kreuz gehefteten Heiland vorgeschwebt hat, ändert nichts an dem reinen Ge-
mit schmerzhaft gekrümmten, blutig durchbohrten samteindruck: es ist nicht zu verkennen, daß wir
Händen und Füßen vor einem wildzerrissenen in Corinths Tapiauer-Altar eine der bedeutendsten
grau-weißen Gewitterhimmel in öder Felslandschaft. Leistungen kirchlich-religiöser Malerei seit langer
Die linke Seite des Altares fesselt durch eine seit- Zeit vor uns haben. Er beweist, daß wir uns
sam-eindrucksvolle Gestalt: hier steht vor einer eben nicht an hohlgewordene, traditionelle For-
leichtfarbig angedeuteten Mauer in blauem, kurz men akademischer Schönmalerei klammern dürfen,
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