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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Gespräche mit Rodin
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0061

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GESPRÄCHE MIT RODIN

einem Wort: der harmonische Uebergang vom den Handrücken den Beschauerinnen zugekehrt,
Schatten zum Licht tut's; durch die Modellierung, so daß die Hand wie ausgeschnitten erschien,
die ihn bewirkt, erhält man die schöne Schmieg- und sagte: » Das ist ein Bas-Relief, in alle Ewig-
samkeit, die Eleganz und zugleich Morbidezza keit ein Bas-Relief, flach und ohne Akzen-
und Kraft. Nichtsdestoweniger geht es nicht tuierung, dagegen so — und nun drehte er
an, bei einem Körper nur gewisse Partien mit die Hand mit der schmalen Seite den Beschau-
Nachdruck hervorzuheben und darüber die erinnen zu — zeigt sie sich in ihrer ganzen
anderen zu vernachlässigen. Jede muß im Tiefe, so hat sie Kraft, so behält sie ihren
Verhältnis zum Ganzen forciert sein und dem Rauminhalt in der Atmosphäre. Macht es ein
Maß der Gesamtstilisierung entsprechen; Grad Bildhauer so, dann sagt man er sei ein Genie
und Maß solcher Uebertreibungen aber wechseln (meinte Rodin schalkhaft), aber nein, er hat
bei jedem Künstler und mit dem Geschmack, in diesem Fall nur zu sehen gewußt, das ist
der sie inspiriert — das Temperament des alles". . Schließlich noch eine kurze Auseinan-
Bildhauers bekundet sich eben auf diese Weise, dersetzung mit Lombroso, dessen Definition

Das, was die Kraft der Antike ausmacht, vom Genie Rodin keinesfalls billigen will,
ist Konstruktion und Modellierung; die Alten „Der Gedanke Lombrosos ist unbedingt
wußten wohl von der Gesamtwirkung, denn falsch", sagte er einmal gesprächsweise. „Das
das ist ein Hauptirrtum, die Details einzeln Genie ist die Ordnung selbst, eine Vereinigung
zu arbeiten; man mag das soweit treiben als von Fähigkeiten des Maßes und des Gleich-
irgend möglich, aber immer nur unter Bezie- gewichts. Man hat meine Kunst oft als Werk
hung auf das Ganze. Auch
bei einer Büste geht es nicht
an, eines nach dem anderen
zu machen, die Wange, die
Nase, den Mund, das Auge.
Zuerst muß man genau be-
denken, wie man die Massen
verteilt. Ein Kopf erscheint
wie eine Eiform mit gewissen
Veränderungen; man könnte
vielleicht sogar sagen, jede
Erscheinung sei eine Kugel
mit Abwandlungen. Aber je-
des Profil dieser Kugel unter-
scheidet sich vom anderen.
Man muß also, will man sie
nachbilden, sich ohne Unter-
laß um sie herumwenden und
jedes Profil in seinen wirk-
lichen Abgrenzungen nach-
bilden. Nach dem Profil muß
man arbeiten, um Tiefe zu
gewinnen, nicht en face, das
ist der feste Grundsatz dieser
Konstruktion, aus dem sich
das Uebrige von selbst er-
gibt; tut man anders, so
kommt nichts zustande als
flache, glatte Dinge, Stücke,
die man nur von einer
Seite anschauen kann." Da-
bei demonstrierte Rodin vor
seinen Freundinnen sein
Prinzip mit der flachen Hand:
er hielt sie mit der Innen-
seite gegen den Hintergrund, A. RODIN DER GEKREUZIGTE

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