Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

DOI Artikel:
Berger, Ernst: Goethes Farbenlehre und die modernen Theorien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0153

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GOETHES FARBENLEHRE UND DIE MODERNEN THEORIEN

an. Leonardo hat sie schon gekannt, diese sah, was er meinte sehen zu müssen, eine
auf der Basis der Farbstoffmischung (subtrak- regenbogenfarbig kolorierte, sondern, was er
tive Farbmischung) beruhende Theorie, auch sehen mußte, eine weiße Fläche „nur an den
Goethe griff auf die aristotelische Erklärung Rändern farbig", da rief er vor sich aus: Die
der Entstehung der Farben durch Aufhellung Newtonsche Theorie ist falsch! Zwischen dieser
und Verdunklung des Lichtes einerseits und Erscheinung und der Lehre Newtons glaubte
des Schattens andererseits zurück, wodurch er einen Widerspruch gefunden zu haben, der
die Farben eine Reihe bilden, die von Weiß die allgemein anerkannte Theorie völlig auf-
über Gelb, Rot und Blau zum Schwarz übergeht, hebe.

Dazu führte ihn die „Lehre vom Trüben", Goethes „Farbenlehre" befriedigte die ge-
aus der nach seiner Ueberzeugung die ganze lehrte Welt nicht, sie wurde wie schon der
Chromatik entwickelt werden müsse. Durch erste „Beitrag zur Optik" „mit schlechtem
leichte Trübung des hellsten Lichtes entstehe Dank und hohlen Redensarten der Schule bei-
Gelb, bei Verstärkung des Vorganges Rot seite gelegt". Aber Goethe ließ durch diese
(Abendröte), durch beleuchtete Trübung von Ablehnung nicht von der von ihm für richtig
Schwarz entstehe Blau (Mittagshimmel) und erachteten Anschauung und wies jeden Ein-
er zeigte, daß auch beim Betrachten schwarzer wurf, auch wenn er von bestgemeinter Ab-
und weißer Flächen durch das Prisma Farben- sieht getragen war, entrüstet von sich weg.
streifen sich bilden, die genau so entstanden Um so größer war aber die Freude und die
sein müßten wie die obigen Farben, d. h. durch Genugtuung der ihm beipflichtenden Freunde,
Uebergreifen der gebrochenen Strahlen vom denen die „sinnlich-sittliche" Auffassung Goe-
Hell zum Dunkel oder umgekehrt. Als er, thes begreiflicher erschien, als die trocken-
wie er in der „Konfession des Verfassers" mathematischen Erklärungen der Physiker. Zu
erzählt, durch die Umstände veranlaßt, seit diesen Personen gehörte vor allem auch der
seinen Kinderjahren zum ersten Male wieder Maler Ph. O. Runge, der schon während
ein Prisma zur Hand nahm, um eine weiße der Vorarbeiten zur Herausgabe der „Farben-
Fläche dadurch zu betrachten und nun nicht lehre" mit Goethe in Verbindung stand. Ohne

von dessen Bemühungen genauer unter-
richtet zu sein, hatte er sich eine Reihe
von Farbenerscheinungen zu einer Art
von System zurechtgelegt und Goethe
davon Mitteilung gemacht. Runges Be-
richt ist von Goethe als „Zugabe" am
Schlüsse des didaktischen Teiles abge-
druckt, woraus zu ersehen sei, „daß meh-
rere Stellen genau mit meinem Entwurf
übereinkommen, daß andere ihre Deu-
tung und Erläuterung aus meiner Arbeit
gewinnen können und daß dabei der Ver-
fasser in mehreren Stellen mit lebhafter
Ueberzeugung und wahrem Gefühle mir
selbst auf meinem Gange vorgeschrit-
ten ist".

Philipp Otto Runge*), der durch die
Berliner Jahrhundert-Ausstellung wie-
der der Vergessenheit entrissene Maler,
äußert sich über seine Beobachtungen
und Schlüsse, die ihm ermöglichten, ein

*> Runge (geb. 1777 zu Wolgast in Pommern) kam,
zum HandeUfach bestimmt, 1796 nach Hamburg, trat dann
aber bald zur Malerei über, in der er sich der symboli-
stisch-allegorischen Richtung anschloß. Mehrere Bilder
dieser Art, auch etliche Porträts sind im Besitze der städ-
tischen Gemäldegalerie daselbst. Zur Würdigung des
Künstlers, der den Ruf genoß, der Begründer der deut-
schen Freilichtmalerei, wenn auch nicht mit Recht, zu sein,
sehe man die Publikation über die Berliner Jahrhundert-
ausstellung 1906 (Bruckmanns Verlag) S. XIX des Vorworts.
OTTO GUSSMANN RELIEF Runge starb am 2. Dezember 1810, also gerade vor hun-

Erste Ausstellung der Künstlervereinigang Dresden den Jahren.

134
 
Annotationen