Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911
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Wolf, Georg Jacob: Edouard Manet
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EDOUARD MANET
Feuerbach, Viktor
Müller — viel besucht
wurde. Diesen Erst-
lingswerken folgte eine
Reihe von Gemälden,
die unter dem Eindruck
von ausgedehnten Rei-
senund Galeriestudien
in Italien, Deutschland
und Holland konzipiert
wurden. „Die über-
raschte Nymphe" zeigt
Manet im Bann der
Venezianer. Und wie
sehr ihm das, was er
von Velasquez, Greco,
Goya sah, imponiert
haben muß, dafür legen
die meisten der Bilder,
die in dem Lustrum
1860—65 entstanden,
edouard manet spanisches ballett (1862) Zeugnis ab. Wobei
nicht vergessen wer-
wir heute bedeutend an Distanz zu Manet den darf, daß Manet erst im Jahre 1865 das
gewonnen haben, können wir mit lichter Klar- Prado in Madrid kennen lernte, und daß er
heit durchschauen, wie sich sein Werk in seine Kenntnis spanischer Kunst vor diesem
den Entwicklungsgang der Kunst eingliedert. Zeitraum im wesentlichen aus Reproduktionen
Wir können, dem Meister gegenüber in Liebe und Kopien und aus den in französischen,
und Haß weniger leidenschaftlich als seine italienischen, deutschen und niederländischen
eigene Zeit, die Zusammenhänge seiner Kunst Museen zerstreuten spanischen Bildern schöpfte,
mit ihren Vorgängern und Nachfolgern leichter
überblicken als Manets Zeitgenossen, die all-
zusehr der kritischen Fliege Carlyles gleichen,
jener Fliege, die an einem mächtigen Haupt-
gesims herumklettert, alles auf das Gründlichste
betastet und von dem Ganzen doch nimmer-
mehr einen Eindruck erhält.
Wäre Manets Kunst wirklich etwas ganz
Neues, etwas ganz Unerwartetes, so müßte
sie sich uns auch als aus einem Guß dar-
stellen, so dürfte es in dieser ganzen Künst-
lerlaufbahn keine Entwicklung geben. Manet
hätte dann seinen „Absinthtrinker" (Abb. S. 146)
im nämlichen Stil und mit den gleichen Mal-
mitteln darstellen müssen wie das im Jahre 1882
entstandene „Haus in Rueil", ein Gemälde, das
heute als der letzte starke Ausdruck Manet-
scher Kunst eine besondere Zierde der Berliner
Nationalgalerie bildet.
Coutures Schüler, mag er tausendmal mit
seinem Lehrer uneinig gewesen sein, ist
Manet in allen Bildern, die noch in den fünf-
ziger Jahren entstanden sind; selbst das Doppel-
porträt der Eltern (1860) (Abb. Jahrg. 1909/10,
S. 155) weist noch auf die Provenienz aus
diesem Atelier, das auch von Deutschen — edouard manet ecce homo <i865)
150
Feuerbach, Viktor
Müller — viel besucht
wurde. Diesen Erst-
lingswerken folgte eine
Reihe von Gemälden,
die unter dem Eindruck
von ausgedehnten Rei-
senund Galeriestudien
in Italien, Deutschland
und Holland konzipiert
wurden. „Die über-
raschte Nymphe" zeigt
Manet im Bann der
Venezianer. Und wie
sehr ihm das, was er
von Velasquez, Greco,
Goya sah, imponiert
haben muß, dafür legen
die meisten der Bilder,
die in dem Lustrum
1860—65 entstanden,
edouard manet spanisches ballett (1862) Zeugnis ab. Wobei
nicht vergessen wer-
wir heute bedeutend an Distanz zu Manet den darf, daß Manet erst im Jahre 1865 das
gewonnen haben, können wir mit lichter Klar- Prado in Madrid kennen lernte, und daß er
heit durchschauen, wie sich sein Werk in seine Kenntnis spanischer Kunst vor diesem
den Entwicklungsgang der Kunst eingliedert. Zeitraum im wesentlichen aus Reproduktionen
Wir können, dem Meister gegenüber in Liebe und Kopien und aus den in französischen,
und Haß weniger leidenschaftlich als seine italienischen, deutschen und niederländischen
eigene Zeit, die Zusammenhänge seiner Kunst Museen zerstreuten spanischen Bildern schöpfte,
mit ihren Vorgängern und Nachfolgern leichter
überblicken als Manets Zeitgenossen, die all-
zusehr der kritischen Fliege Carlyles gleichen,
jener Fliege, die an einem mächtigen Haupt-
gesims herumklettert, alles auf das Gründlichste
betastet und von dem Ganzen doch nimmer-
mehr einen Eindruck erhält.
Wäre Manets Kunst wirklich etwas ganz
Neues, etwas ganz Unerwartetes, so müßte
sie sich uns auch als aus einem Guß dar-
stellen, so dürfte es in dieser ganzen Künst-
lerlaufbahn keine Entwicklung geben. Manet
hätte dann seinen „Absinthtrinker" (Abb. S. 146)
im nämlichen Stil und mit den gleichen Mal-
mitteln darstellen müssen wie das im Jahre 1882
entstandene „Haus in Rueil", ein Gemälde, das
heute als der letzte starke Ausdruck Manet-
scher Kunst eine besondere Zierde der Berliner
Nationalgalerie bildet.
Coutures Schüler, mag er tausendmal mit
seinem Lehrer uneinig gewesen sein, ist
Manet in allen Bildern, die noch in den fünf-
ziger Jahren entstanden sind; selbst das Doppel-
porträt der Eltern (1860) (Abb. Jahrg. 1909/10,
S. 155) weist noch auf die Provenienz aus
diesem Atelier, das auch von Deutschen — edouard manet ecce homo <i865)
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