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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Haendcke, Berthold: Die historischen Grundlagen der Hell- und Freilichtmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0179

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Süden vorangegangen war. Kraftvoll den Fähr-
lichkeiten der Welt gegenüber und in frommen
Gedanken dem Jenseits zugewandt, aber taten-
freudigen Sinnes, so müssen wir uns den
Menschen des Mittelalters trotz einzelner
Perioden leidenschaftlichen Schwärmens vor-
stellen. Die Renaissance brachte im Grunde
nichts Neues, nur überall eine folgerichtige
Weiterentwicklung: im Denken eine stärkere,
eine tiefer dringende Skepsis, weil man schon
so viel gelernt hatte, in den sinnesfrohen
Künsten eine Erweiterung der Anschauung,
weil man bereits so viel gesehen hatte, eine
Bereicherung der „Fächer" in Architektur,
Plastik und Malerei, weil man schon so viel
in Herz und Sinn erlebt hatte! —

Das Mittelalter mußte sich zunächst der
Baukunst widmen. Deshalb erbaute es die
Häuser, in denen Gott und der Fürst wohnen

sollte; deshalb errichtete es mit großem tech-
nischen Geschick, allmählich auch mit künst-
lerischem Geschmack,Gotteshäuser und Burgen.
Der Bürger kommt vor etwa dem 13. Jahrhun-
dert als Haus-Bauherr nicht ernstlich in Be-
tracht. Dann nimmt er zunächst von dem
Bauernhause das Vorbild und von dem Tisch
seiner beiden „Herren", Kirche und Burg, die
Zutaten, um jenseits der Alpen an dem stol-
zen Bürgersinn der alten und neuen Römer
für seine Bedürfnisse Anregung und Befriedi-
gung zu finden.

Der Bildhauer meißelt der Christenheit den
Heiland und seine reiche Gefolgschaft; er gräbt
in Stein und in Erz die Züge der weltlichen
Herren und später, als die Bürger selbständig
geworden sind, widmet er auch diesen seine
Arbeit. Und da war die „Renaissance" herauf-
gekommen. —

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