VON SCHWEIZERISCHER KUNST
Jeremias Gotthelf, und der hat Bauern seiner Radierer kennt ebenfalls jeder Kunstfreund;
Zeit beschrieben; sie sind zwar zäh konser- er hat auch da unverlierbar Schönes geschaffen:
vativ, diese Berner Bauern, aber ein bißchen es sei nur schnell an Blätter wie „Raub der
sind sie heute doch anders, und eben auch Europa" und „Ehehafen" erinnert. Altdeutsch
dieses „Anders" steckt in Buris ehrlichen und Modern haben nie eine innigere, ungesuch-
großen Bildern. tere Verbindung eingegangen als in Welti.
Bern hat jedoch nicht nur diese Hellmaler. Ganz modern, der Impressionistparexcellence
In Bern arbeitet zurzeit auch der Zürcher unter den Schweizern, ist Cuno Amiet in
Albert Welti. Zu dessen Ruhm als dem Oschwand: er ist Farbensymphoniker in stärk-
eines echt deutschen Phantasie-, Gemüt- und sten Tönen; aber er hält diese Töne aufs festeste
Humormalers, als eines ersten Meisters der in zusammen, so daß seine Landschaften, Figuren
Form und Farbe gebannten Vision, braucht und Porträts den Charakter des Notwendigen
hier kaum noch etwas gesagt zu werden.*) haben. Es gibt keinen, der wie er dieses
Hingegen interessiert es wohl weitere Kreise, Absolute gleich frei, groß und mächtig mit dem
zu vernehmen, daß er gegenwärtig mit einem Dekorativen, rein farbig Dekorativen, verbindet:
großen Wandbilde für den Ständeratssaal im bei dem sich Flecken und Linien so gewaltig
Bundesrathause zu Bern beschäftigt ist. Im wirksam vereinigen. Dabei hat er den Sinn
„Salon" hat man die reizvollen Entwürfe für für das Geschlossene der Komposition: unsere
dieses Werk sehen können; Welti geht darin Bilder „Die Vergänglichkeit" und „Gene-
ungeniert ins Große, und er erreicht es, ohne sung" (Abb. S. 1 72) sind überzeugende Beweise
etwas von seiner Intimität, seiner Vorliebe für dafür. — Seiner Art verwandt ist diejenige
die wimmelnde Lebensfülle, für das Altdeutsch- Giovanni Giacomettis, eines Graubündners.
Lucas Cranachsche preiszugeben, dem er ur- Er geht, in konsequenter Punktmanier, auf
und naturverwandt ist. Welti als originalen größere Flächen, breiter wirkende Farben aus
- und gewinnt dabei Effekte von überraschender
*) Ueber Welti siehe auch den Aufsatz im lahreang 1909/10, Tr « o • t-» tc • r% t um
s. 121 u f. Kraft. Sein „Brotesser" im Basler Museum
erdrückt mit farbiger und linearer Wucht
nur den in der Nähe hängenden Hodler
(„Genfersee",„NäfelserSchlacht",„ Weib-
licher Akt") nicht. In seinen „Jüngern von
Emmaus" (Abb. S. 177) ist die visionäre
Lichtstärke aufs denkbar Höchste gestei-
gert. — Ein Eigenbrödler ist Hans Em-
mennegger (Luzern), er liebt es, große
weiche Flächen in stark klingenden, aber
harmonischen Farben zu malen; er ist,
ohne Süßlichkeit oder Pose, der Lyriker
unter diesen Modernen.
Aarau ist künstlerisch eine Art Enklave
Berns. Was z. B. Otto Wyler dort malt,
ist bernerisch hodlerisierend ohne nen-
nenswerten Individualeinschlag. — Die-
sen besitzt in stärkerem Maße Ernst Bo-
lens; eine „Aarelandschaft" von ihm hat
sich mir im „Salon" durch Linien- und
Farbenführung nachhaltig eingeprägt; je-
denfalls ist ihm Sinn für große Raum-
und Flächendarstellung eigen. — Am
wenigsten der „Schule" verfallen scheint
mir Max Burgmeier, dessen stumpf-
grüne Jurabilder in schlichter Wahrheit
Linien, Flächen und Formen zu charak-
teristischem Ausdrucke vereinigen: De-
korationskunst, groß, von seltener Far-
beneinheit. — Ein feinfühliger Radierer
FRITZ BURGER BILDNIS VON Dr. WICHERT ist EMIL ANNER in Brugg.
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Jeremias Gotthelf, und der hat Bauern seiner Radierer kennt ebenfalls jeder Kunstfreund;
Zeit beschrieben; sie sind zwar zäh konser- er hat auch da unverlierbar Schönes geschaffen:
vativ, diese Berner Bauern, aber ein bißchen es sei nur schnell an Blätter wie „Raub der
sind sie heute doch anders, und eben auch Europa" und „Ehehafen" erinnert. Altdeutsch
dieses „Anders" steckt in Buris ehrlichen und Modern haben nie eine innigere, ungesuch-
großen Bildern. tere Verbindung eingegangen als in Welti.
Bern hat jedoch nicht nur diese Hellmaler. Ganz modern, der Impressionistparexcellence
In Bern arbeitet zurzeit auch der Zürcher unter den Schweizern, ist Cuno Amiet in
Albert Welti. Zu dessen Ruhm als dem Oschwand: er ist Farbensymphoniker in stärk-
eines echt deutschen Phantasie-, Gemüt- und sten Tönen; aber er hält diese Töne aufs festeste
Humormalers, als eines ersten Meisters der in zusammen, so daß seine Landschaften, Figuren
Form und Farbe gebannten Vision, braucht und Porträts den Charakter des Notwendigen
hier kaum noch etwas gesagt zu werden.*) haben. Es gibt keinen, der wie er dieses
Hingegen interessiert es wohl weitere Kreise, Absolute gleich frei, groß und mächtig mit dem
zu vernehmen, daß er gegenwärtig mit einem Dekorativen, rein farbig Dekorativen, verbindet:
großen Wandbilde für den Ständeratssaal im bei dem sich Flecken und Linien so gewaltig
Bundesrathause zu Bern beschäftigt ist. Im wirksam vereinigen. Dabei hat er den Sinn
„Salon" hat man die reizvollen Entwürfe für für das Geschlossene der Komposition: unsere
dieses Werk sehen können; Welti geht darin Bilder „Die Vergänglichkeit" und „Gene-
ungeniert ins Große, und er erreicht es, ohne sung" (Abb. S. 1 72) sind überzeugende Beweise
etwas von seiner Intimität, seiner Vorliebe für dafür. — Seiner Art verwandt ist diejenige
die wimmelnde Lebensfülle, für das Altdeutsch- Giovanni Giacomettis, eines Graubündners.
Lucas Cranachsche preiszugeben, dem er ur- Er geht, in konsequenter Punktmanier, auf
und naturverwandt ist. Welti als originalen größere Flächen, breiter wirkende Farben aus
- und gewinnt dabei Effekte von überraschender
*) Ueber Welti siehe auch den Aufsatz im lahreang 1909/10, Tr « o • t-» tc • r% t um
s. 121 u f. Kraft. Sein „Brotesser" im Basler Museum
erdrückt mit farbiger und linearer Wucht
nur den in der Nähe hängenden Hodler
(„Genfersee",„NäfelserSchlacht",„ Weib-
licher Akt") nicht. In seinen „Jüngern von
Emmaus" (Abb. S. 177) ist die visionäre
Lichtstärke aufs denkbar Höchste gestei-
gert. — Ein Eigenbrödler ist Hans Em-
mennegger (Luzern), er liebt es, große
weiche Flächen in stark klingenden, aber
harmonischen Farben zu malen; er ist,
ohne Süßlichkeit oder Pose, der Lyriker
unter diesen Modernen.
Aarau ist künstlerisch eine Art Enklave
Berns. Was z. B. Otto Wyler dort malt,
ist bernerisch hodlerisierend ohne nen-
nenswerten Individualeinschlag. — Die-
sen besitzt in stärkerem Maße Ernst Bo-
lens; eine „Aarelandschaft" von ihm hat
sich mir im „Salon" durch Linien- und
Farbenführung nachhaltig eingeprägt; je-
denfalls ist ihm Sinn für große Raum-
und Flächendarstellung eigen. — Am
wenigsten der „Schule" verfallen scheint
mir Max Burgmeier, dessen stumpf-
grüne Jurabilder in schlichter Wahrheit
Linien, Flächen und Formen zu charak-
teristischem Ausdrucke vereinigen: De-
korationskunst, groß, von seltener Far-
beneinheit. — Ein feinfühliger Radierer
FRITZ BURGER BILDNIS VON Dr. WICHERT ist EMIL ANNER in Brugg.
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