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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Sievers, Johannes: Ausstellung "Zeichnende Künste" in der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0234

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AUSSTELLUNG „ZEICHNENDE KÜNSTE" IN DER BERLINER SECESSION

Beschauers zwingend auf das Darstellungszentrum
gebannt ist, das ist wahrhaft monumental. Auch
ein Deutscher, Paul Rössler in Dresden, hat in
zwei Kartons mit aufwärts schwebenden Figuren-
gruppen sehr beachtenswerte Proben für eine be-
deutende Auffassung des Freskostiles gegeben.

Von den Führern der Secession bringt Lieber-
mann den großen Karton zu seiner „Amsterdamer
Judengasse" und eine Reihe von Pastellen von be-
rückender Lichtfülle. Allerlei Motive vom Wannsee
geben ihm Anregung zu den farbenreichsten und
sonnigsten Blättern. Im Pastell, das Liebermann
in erster Reihe wieder zu neuem Leben erweckt
hat, gelingen ihm seine farbigsten, heitersten Schöp-
fungen und die von ihm gegebene Anregung ist auf
fruchtbaren Boden gefallen, das sieht man an hüb-
schen Arbeiten Ernst Opplers und Konrad von
Kardorffs, die freilich an Feinheit und sicherer
Wirkung nicht wenig zurückbleiben. Erstaunlich
ist es, was Slevogt in kaum handgroßen Aqua-
rellen erreicht hat, Ansichten aus München, Bildern
aus dem Gebirge und von der See, in denen der
Künstler eine Intensität und Glut der Farbe ins
Leben gerufen hat, die innerhalb der Aquarellkunst
kaum Vergleiche erlaubt. Lovis Corinth gibt nicht
oft eine so schöne Probe landschaftlicher Kunst,
wie in seinem Hamburger Bootshafen, den man
durch grünes Gezweig hindurch erblickt, und auch
Paul Baum wie Theo von Brockhusen bringen
hübsche, wenn auch etwas durch das große Format
geschädigte Arbeiten. Auf rein zeichnerischem
Gebiet beruht Otto Greiners Kraft, von der zahl-
reiche Studien zu seinem letzten großen Stich „Die

Hexenschule" Zeugnis ablegen. In stetiger Vor-
wärtsentwicklung zeigt sich Käthe Kollwitz.
Aus den Kompositionen, in denen oft die innere
Anteilnahme am Vorwurf die künstlerische Darstel-
lung zurücktreten ließ, ist sie, ohne daß die Ein-
dringlichkeit ihrer Sprache auch nur die leiseste
Einbuße erlitten hätte, zu immer ausgeglicheneren,
abgerundeteren Schöpfungen vorgedrungen: das
beweist im besonderen eine ihrer letzten Radie-
rungen das tiefergreifende „Oberfahren", eine Groß-
stadtszene, in der ein Elternpaar, von Neugierigen
umringt, in stummer Verzweiflung ihr Kind von
der Stätte des Unglücksfalles trägt. Sehr beachtens-
wert als zeichnerische Leistungen sind Max Beck-
manns Aktfiguren und Kurt Tuchs allerliebste,
elegant und geschmackvoll erfundenen Penthesilea-
Illustrationen, die durch eine ganz karg bemessene
Kolorierung eigenen Reiz bekommen. Recht flott
sind ein paar Lithographien Wilhelm Gallhofs;
auch Wilhelm Giese verspricht nach verschiede-
nen hier vereinigten Skizzen vielleicht eine Weiter-
entwicklung. Auf illustrativem Gebiet ist nicht
wenig zu sehen: Christophe bringt seine gleich-
mäßig pikanten und gleichmäßig im Beardsley-Stil
aufgefaßten Schwarz-Weißblätter und Pascin, der
sich ein gutes Stück in seinen Deutlichkeiten ge-
mildert hat, eine Reihe von teilweise sehr raffiniert
in Farben angelegten Arbeiten zur Illustrierung von
Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski."
Hans Baluschek, der'sich auf umfangreiche Schil-
derungen aus den Stahlwalzwerken und Gießereien
gelegt hat, versagt an diesen Vorwürfen vollkommen
und wird zum trockenen Erzähler, Heinrich Zille

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