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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Wolf, Georg Jacob: Fritz von Uhde: 22. Mai 1848 - 25. Februar 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0318

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Ausdrucks bediente, daß er in den heißen Sturm- und Drangzeiten der jungen deutschen
Kunst Schulter an Schulter mit den Revolutionären gegen die starre Phalanx der Konser-
vativen ankämpfte. Man darf übrigens, gedenkt man Uhdes Teilnahme an den Frühlings-
kämpfen des Secessionismus, nicht übersehen, daß dem Menschen und Aristokraten Uhde
das Revolutionäre gar nicht „lag", daß er vielmehr jener halkyonischen Ruhe hingegeben
war, die fern und Feind von Kämpfen und Streiten ist. Man darf vielleicht sagen, daß
Uhde nur durch die Ablehnung, die seine Kunst seinerzeit überall erfuhr, in einen Kampf
gedrängt worden ist, den er aus eigenem Antrieb nimmer gesucht hätte. Doch ist das
gleichgültig: mag Uhde mehr durch die Opposition, mag er mehr durch eigenen Trieb der
jungen Kunst zugeführt worden sein, er ging mit ihr, er wurde ihr Führer. Die entscheidenden
Entwicklungsjahre der Münchner „Secession" fallen unter Uhdes Präsidium. Und wenn sich
— im Gegensatz zu Berlin — die fortschrittliche Münchner Künstlerschaft auch in den hef-
tigsten Debatten nie im Tone vergriff, wenn sie ihre Schlachten bei aller gebotenen Schärfe
doch mit einer ritterlichen Noblesse führte, so ist's nicht zuletzt Uhdes Verdienst. Er war
ein guter Führer, und solange es eine Münchner „Secession - gibt, wird sein Name mit
Dank genannt werden.

Mit Dank und mit Verehrung, die dem großen Künstler gilt. Wir sahen im Winter 1907
in dem Gebäude am Münchner Königsplatz in einer vorzüglichen, mit Geschmack und
Liebe getroffenen Auswahl Uhdes Werk von den Anfängen, die ins Jahr 1878 fallen,
bis zur stolzen, reifen Höhe, die der Meister etwa zu Beginn des neuen Jahrhunderts
erstiegen hatte. Wie sich diese Entwicklung vollzog, und auch welcher Art Uhdes Kunst
und Ziele waren, das wurde in diesen Heften schon wiederholt und ausführlich dar-
gestellt; Fritz von Uhde ist einer, zu dem diese Zeitschrift von allem Anfang an
hielt: schon im ersten Heft des ersten Jahrgangs der Zeitschrift findet man die Repro-
duktion eines Werkes seiner Hand. Damals, vor mehr als fünfundzwanzig Jahren, war
Uhde noch heiß umstritten. Goutierte man schon seine Technik nicht, die er sich, im
wesentlichen Autodidakt, selbst zurechtgelegt, so war man doch weit mehr erzürnt,
entrüstet sogar, über die Art, wie er diese Motive bildkünstlerisch darstellte. Uhde hat die
religiöse Malerei aus der Erstarrung in Cornelianischem Klassizismus befreit, hat das Leben
des Alltags getränkt mit Ideen eines tiefgefühlten, edelmenschlichen Christentums — und
das verstanden die Frommen nicht, die die Religion in Generalentreprise haben. Man
weiß, welcher Art Uhdes religiöse Malerei ist: Seine Bilder vereinigen Göttliches und Mensch-
liches, sie rücken die fernen Geschichten des Evangeliums in die greifbare Nähe der Wirk-
lichkeit, die ohne Kostüme und Faltenwürfe, ohne Posen und Attitüden ist. Christus lebt
noch unter Euch, die christliche Grundidee ist noch nicht tot in dieser Zeit — das wollte
Uhde auf seinen Bildern verkünden, und das nannten seine Widersacher ein frevles Spiel
mit Sensation und Skandal! Ich habe es im Gegenteil stets als eine frohe Botschaft hin-
genommen, daß in dieser Zeit der stampfenden Maschinen und der wilden Jagd nach
Mammon noch poetische und religiöse Werte lebendig sind, und ich danke gerade Uhde
diese Erkenntnis . . .

Indessen erschöpft sich Uhdes Kunst nicht in seinen religiösen Gemälden, wenn sie
auch die stärksten und merkwürdigsten sind, die von ihm kamen. Er hat auch viele Lein-
wanden mit Motiven des Alltags bemalt. Das ist begreiflich und gut. Denn diese Bilder
bedeuten den währenden Zusammenhang des Künstlers mit der Wirklichkeit. Und dies: bei
diesen Gemälden zeigt Uhde ganz „seine Hand". Hier ist Gelegenheit gegeben, den Tech-
niker Uhde zu studieren, den, der von den Einflüssen der Munkacsy, Bastien-Lepage, Israels
immer wieder zurückfand zu sich selbst. Bilder dieser Art zeigen, worauf es Uhde ankam:
auf die malerische Qualität, d. h. auf eine Sache, die heute selbstverständlich ist, die es aber
nicht im gleichen Maße vor fünfundzwanzig und dreißig Jahren war, als noch die themata-
süchtige, stoffegierige Epigonenschar Pilotys die Kunst und den Markt regierte. Der Riesen-
schritt, den Uhde über diese hinausging, sichert ihm dauernden Ruhm. Uhde gab einer
neuen Generation neue, starke, große Probleme. Mag sein, daß in einem Jahrhundert ein
Geschichtschreiber der Kunst ein neues Kapitel, einen wichtigen Abschnitt, beginnt mit dem
Namen dessen, der nicht nur ein großer Künstler in sich selbst, sondern auch ein großer An-
reger und Führer der anderen war: Fritz von Uhde.

Georg Jacob Wolf
 
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