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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Freyer, Gerschom Kurt: Die Mannheimer Kunsthalle
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Sievers, Johannes: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0414

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DIE MANNHEIMER KUNSTHALLE — BERLINER AUSSTELLUNGEN

Kunsthalle das große Meisterwerk Manets, „Die Er-
schießung Kaiser Maximilians" zu schenken. Auch
die Stadt stellte genügend Mittel zur Verfügung,
so daß mit dem Ankauf mehrerer hervorragender
Werke (Delacroix, Courbet, Liebermann u. a.) die
Mannheimer Kunsthalle sogleich in die Reihe der
bedeutenderen modernen Galerien gestellt wurde.

Aber so vielversprechend auch dieser Anfang
ist, — eine Kunstsammlung ist totes Material, so-
lange es nur vom Zufall abhängt, ob sie auf diesen
oder jenen Besucher ihre Wirkung ausübt. Daher
sollen von der Mannheimer Kunsthalle als Mittel-
punkt nun die andern Einrichtungen ausstrahlen,
durch die der Inhalt der Galerie erst Leben und
Wirksamkeit erhält. Das geschieht zunächst durch
Führungen, durch die das Publikum mit den Wer-
ken vertraut werden soll. Solche Führungen, die
Dr. Wiehert schon in großer Anzahl veranstaltet
hat, sind hier, besonders auch bei der Arbeiterbe-
völkerung, sehr beliebt geworden. Nun kann aber
die einzelne Galerie immer nur ein kleines Gebiet
der Kunst zur Darstellung bringen. Der unendliche,
über die ganze Welt verstreute Reichtum an Kunst-
werken, besonders aber ein Gesamtbegriff vom Wesen
und Werden der Kunst muß dem Publikum auf
andere Weise vermittelt werden. Zu diesem Zweck
hat Dr. Wiehert der Kunsthalle das kunstwissen-
schaftliche Institut angefügt. Ein Saal der Kunst-
halle, der einen großen Teil des Tages, auch abends,
umsonst zugänglich ist und schon durch die ruhige
Vornehmheit und Bequemlichkeit seiner Einrichtung
zum arbeitsamen Aufenthalt einlädt, enthält alles,
was zu eingehender Beschäftigung mit der Kunst
erforderlich ist: ein reiches Abbildungsmaterial, eine
sorgfältig ausgewählte kunstwissenschaftliche Biblio-
thek, eine große Anzahl deutscher und ausländischer
Kunstzeitschriften. Hier eröffnet sich uns ein Aus-
blick auf eine ideale Einrichtung, zu der sich dieses
Institut allmählich ausgestalten könnte: ein „For-
schungsinstitut für moderne Kunst", eine Stätte für
junge Kunstgelehrte, an der sie die Kunst unserer
Zeit wissenschaftlich zu erfassen suchen. Die auf-
blühende Mannheimer Kunsthalle, die Lage Mann-
heims in der Nähe vieler bedeutender Kunstzentren
wäre einem solchen Institut ebenso günstig, wie
dessen Mitglieder ihrerseits wieder auf die künst-
lerische Kultur der Stadt einwirken würden. Mit
dem kunstwissenschaftlichen Institut ist ein graphi-
sches Kabinett verbunden. Auch diese Sammlung
verdankt der Freigebigkeit einiger Mannheimer Bür-
ger einen schönen Grundstock in einer Anzahl wert-
voller Blätter von Dürer, Ostade u. a. In einem
Schaukasten sind die verschiedenen graphischen
Verfahren zur Darstellung gebracht.

Diese Graphische Sammlung hat nun ebenfalls
ihr Programm durch eine reichhaltige und sorgfältig
ausgewählte Ausstellung moderner Graphik erhalten.
Nur die wichtigsten Namen seien genannt. Als die
Ahnherren dermodernen deutschenGraphik begrüßen
uns Menzel, Stauffer-Bern und Leibi. Dieser Stamm
verzweigt sich hauptsächlich nach zwei Richtungen,
der naturalistischen in Liebermann, Paul Baum,
Käthe Kollwitz, der idealistisch-monumentalen in
Klinger, Greiner, Böhle. Der Stammbaum der fran-
zösischen Radierer führt noch weiter ins 19. Jahr-
hundert zurück, zu Bracquemond, Meryon, Millet
und Corot, und selbst Goya ist mit einigen Blättern
vertreten, die wiederum zu interessanten Vergleichen
mit Manet anregen. Unter den neueren Franzosen
treten besonders Forain und Legrand hervor. An

die köstlichen Blätter Daumiers schließt sich eine
interessante Sammlung farbiger Lithographien (Re-
noir, Toulouse-Lautrec u. a.) an. Eine höchst kulti-
vierte, stilvolle Graphik zeigt die Abteilung der Eng-
länder mit vielen Meistern von hohem Rang: Bone,
Legros, Haden, Strang, Pennell, Whistler u. a. Neben
ihnen aber behauptet sich Anders Zorn mit seiner
Kraft und Frische. Den Schluß bildet ein besonders
interessantes Gebiet moderner Graphik, der Farben-
holzschnitt, mit Werken von Karl Moser, Orlik u. a.

Doch kehren wir wieder zu der Organisation der
Kunsthalle zurück. Wie das kunstwissenschaftliche
Institut dazu dient, dem F'ublikum den Inhalt der
Galerie verständlich zu machen, so muß auch wieder
das Material, das mit diesem Institut gegeben ist,
wirksam gemacht werden. Das soll durch eine große
Vortragsunternehmung geschehen, eine „Akademie
für jedermann". An zwei bis drei Abenden der Woche
sollen bei freiem Zutritt Vorträge gehalten werden
zur Einführung in die verschiedenen Gebiete und
Probleme der Kunst. Natürlich soll damit nicht
jene Art von populären Vorträgen, die mehr ober-
flächlichem Zeitvertreib als wirklicher geistiger und
seelischer Förderung dienen, vermehrt werden, son-
dern durch sorgfältige Auswahl der Redner und der
Themen ist dafür gesorgt, daß die Vorträge ihren
Hauptzweck erfüllen, die Erziehung zum Kunst-
empfinden und zur Urteilsfähigkeit.

Worauf geht also das Unternehmen der Mann-
heimer Kunsthalle aus? Es soll eine innige Be-
ziehung und Wechselwirkung zwischen der Kunst-
halle und dem Publikum hergestellt, es soll ein
Kunstmilieu geschaffen werden, das alle künstle-
rischen Regungen und Interessen umfaßt. Und noch
mehr. Mit der Konkurrenz der Millionäre und der
großen Museen der Hauptstädte kann es die Samm-
lung einer kleinen Stadt nicht aufnehmen. Will sie
dennoch wirkliche Bedeutung erlangen, so muß sie
selber mithelfen, einer neuen, großen Kunst den
Boden zu bereiten. Sie muß sich an die ungeahnten
künstlerischen Kräfte wenden, die in den unteren
Klassen zweifellos vorhanden sind, die dort aus
Mangel an Anregung und Pflege brachliegen. Die
gilt es wachzurufen und zur Ausbildung zu bringen.
Die Kultur, die wir erstreben, kann nur eine Kultur
des ganzen Volkes sein. Kurt Freyer

BERLINER AUSSTELLUNGEN

Dei Cassirer tritt die „Döme-Gruppe" auf, eine
" Vereinigung, der, wie es heißt, nicht französische,
aber in Paris lebende oder durch Paris besonders
beeinflußte Künstler angehören. In Alfred Hel-
berger sehen wir einen Landschafter von Ge-
schmack, aber ohne sonderlich persönliche Note, in
M. Veszi einen Karikaturisten, dem, von der recht
ausdruckslosen Zeichnung abgesehen, vor allem der
schlagende Witz, die innere Umdeutung aus dem Ge-
biet der wirklichen Erscheinung in das der Komik
zu fehlen scheint. Dagegen zeigt sich Erna Frank
auch hier wieder als eine Zeichnerin von großer
Sicherheit, die es versteht, die flüchtigste Bewegung
in ihrer impressionistischen Sprache festzuhalten und
glaubhaft zu machen. Ihre Pariser und Neu-Berliner
Straßenbilder legen für ihr Können gutes Zeugnis
ab. Im großen Saal finden sich Arbeiten Walter
Bondys, die zwar gegen frühere Leistungen eine
größere Routine, aber dafür auch eine stärker ab-
hängige Persönlichkeit verraten. Er ist koloristisch

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