BRIEFE VON CARL RAHL AUS DEN JAHREN 1844- 1850
Rom, den 25. Mai 1847
Lieber Freund!
Ich danke dir vielmals für deine
freundschaftlichen Bemühungen
mit dem Firnissen und deine Nach-
richten über die verschiedenen Ur-
theile, und freue mich über deinen
Beifall, da ich dich zu gut kenne,
um befürchten zu müssen, es wäre
dir nicht ernst damit. Dein Tadel
wegen des Dunkels beruht auf An-
sichten, und da ich die meinigen
durch zehnjähriges Studium der
Alten auf ein sehr verschiedenes
Feld versetzt habe, als auf dem
ihr euch befindet, die ihr euch
unaufhörlich in der Gegenwart be-
wegt, so werden wir mündlich uns
verständigen. Was den Beifall des
Publicums anbelangt, so ist mir
nicht sehr viel daran gelegen, halte
es aber für einen bedenklichen
Irrthum, es in Unkenntnis des
Gegenstandes zu suchen, denn die
Sache bedarf ja nicht des Lesens,
sondern blos des Sehens. Der
Name ist ja gleichgiltig, die Hand-
lung menschlich und lebendig, die
Costüme sind mannichfaltig und
gewiß so schön, als es nur welche richard Scheibe bildnisbüste
gibt, Und Wenn Amerling's „Re- XXII. Ausstellung der Berliner Secession
bekka" gefiel, so war wohl die
„Rebekka" nicht schuld daran
oder die „Orientalin", weil man ihre inter- wann, wenn es sympathisch auf ihr Gefühl
essanten Biographien kannte, sondern weil sie wirkt, so erfreuen sie sich, wo nicht, so lassen
so ganz den englischen Kalenderstichen ähn- sie es laufen. Auch ist ein Künstlerruhm,
lieh sahen und ebenso süß und zart waren, der durch das Pikante des Gegenstandes er-
wie die Damen selbst, die sie ansehen. Glaube reicht wird, mir ganz geringschätzig; es könnte
mir, hätte ich meine Sarazeninnen mit so leicht irgend ein scandalöser Zeitungsartikel,
niedlichen Köpfchen, Händchen und artigen ganz roh gemalt, über „Die Schule von Athen"
Kinderchen gemalt, wie Schrotzberg, hübsch den Sieg erhalten. Nein, die Kunst ist nicht
weiße Gesichtchen, so würde Niemand fragen, der Gegenstand, sondern die Darstellung, wo-
was sie vorstellen, da sie auch wirklich durch durch sie zu etwas wird. Sollte es mir ge-
alle Geschichtskenntnis doch um keinen Schritt lungen sein, auf eine klare und feurige Weise
ihre Bekanntschaft vergrößern würden, denn mit gewaltigen Gestalten meinen Gegenstand
außer von „König Manfred" selbst wird Nie- auszusprechen, mit der Glut der Farben und
mand als der Commandant genannt, und so der Harmonie, wie sie aus den alten Vene-
hälfe die genaueste Geschichte zu nichts mehr, tianern noch hervorleuchten, und sei es auch
als was sie auch ohne selbe wissen und vor mit manchen Fehlern, ich wäre zufrieden, und
sich sehen. Hätten sie Kunstsinn und Ge- zwar sehr viel mehr, als wenn ich der Mode
schmack, so würden sie die Gestalten als solche Gipfel erstiegen hätte. Da ich gar kein Mittel
betrachten und sich darüber mit Interesse anwendete, mich bei Landsleuten beliebt zu
zum Guten oder Schlechten aussprechen, denn machen, oder ihren Vorurtheilen und Wün-
der Gegenstand sind Menschen auf allen Bil- sehen zu entsprechen, so habe ich kein Recht,
dern; die Leute fragen selten viel, wie oder ihren Beifall zu verlangen, sondern muss mich
467
59*
Rom, den 25. Mai 1847
Lieber Freund!
Ich danke dir vielmals für deine
freundschaftlichen Bemühungen
mit dem Firnissen und deine Nach-
richten über die verschiedenen Ur-
theile, und freue mich über deinen
Beifall, da ich dich zu gut kenne,
um befürchten zu müssen, es wäre
dir nicht ernst damit. Dein Tadel
wegen des Dunkels beruht auf An-
sichten, und da ich die meinigen
durch zehnjähriges Studium der
Alten auf ein sehr verschiedenes
Feld versetzt habe, als auf dem
ihr euch befindet, die ihr euch
unaufhörlich in der Gegenwart be-
wegt, so werden wir mündlich uns
verständigen. Was den Beifall des
Publicums anbelangt, so ist mir
nicht sehr viel daran gelegen, halte
es aber für einen bedenklichen
Irrthum, es in Unkenntnis des
Gegenstandes zu suchen, denn die
Sache bedarf ja nicht des Lesens,
sondern blos des Sehens. Der
Name ist ja gleichgiltig, die Hand-
lung menschlich und lebendig, die
Costüme sind mannichfaltig und
gewiß so schön, als es nur welche richard Scheibe bildnisbüste
gibt, Und Wenn Amerling's „Re- XXII. Ausstellung der Berliner Secession
bekka" gefiel, so war wohl die
„Rebekka" nicht schuld daran
oder die „Orientalin", weil man ihre inter- wann, wenn es sympathisch auf ihr Gefühl
essanten Biographien kannte, sondern weil sie wirkt, so erfreuen sie sich, wo nicht, so lassen
so ganz den englischen Kalenderstichen ähn- sie es laufen. Auch ist ein Künstlerruhm,
lieh sahen und ebenso süß und zart waren, der durch das Pikante des Gegenstandes er-
wie die Damen selbst, die sie ansehen. Glaube reicht wird, mir ganz geringschätzig; es könnte
mir, hätte ich meine Sarazeninnen mit so leicht irgend ein scandalöser Zeitungsartikel,
niedlichen Köpfchen, Händchen und artigen ganz roh gemalt, über „Die Schule von Athen"
Kinderchen gemalt, wie Schrotzberg, hübsch den Sieg erhalten. Nein, die Kunst ist nicht
weiße Gesichtchen, so würde Niemand fragen, der Gegenstand, sondern die Darstellung, wo-
was sie vorstellen, da sie auch wirklich durch durch sie zu etwas wird. Sollte es mir ge-
alle Geschichtskenntnis doch um keinen Schritt lungen sein, auf eine klare und feurige Weise
ihre Bekanntschaft vergrößern würden, denn mit gewaltigen Gestalten meinen Gegenstand
außer von „König Manfred" selbst wird Nie- auszusprechen, mit der Glut der Farben und
mand als der Commandant genannt, und so der Harmonie, wie sie aus den alten Vene-
hälfe die genaueste Geschichte zu nichts mehr, tianern noch hervorleuchten, und sei es auch
als was sie auch ohne selbe wissen und vor mit manchen Fehlern, ich wäre zufrieden, und
sich sehen. Hätten sie Kunstsinn und Ge- zwar sehr viel mehr, als wenn ich der Mode
schmack, so würden sie die Gestalten als solche Gipfel erstiegen hätte. Da ich gar kein Mittel
betrachten und sich darüber mit Interesse anwendete, mich bei Landsleuten beliebt zu
zum Guten oder Schlechten aussprechen, denn machen, oder ihren Vorurtheilen und Wün-
der Gegenstand sind Menschen auf allen Bil- sehen zu entsprechen, so habe ich kein Recht,
dern; die Leute fragen selten viel, wie oder ihren Beifall zu verlangen, sondern muss mich
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