BRIEFE VON CARL RAHL AUS DEN JAHREN 1844-1850
FRITZ KLIMSCH <s BILDNISBÜSTE FRAU NELLY HERZ
XXII. Ausstellung der Berliner Seccssion
das Publicum anfange, so zu werden, daß es für einen Lumpen zu gelten, ohne einen spie-
von einem solchen Künstler nichts ankaufe. len zu müssen.
Du kannst dir denken, was ich zu arbeiten
habe. Meine Absicht ist, nach Rom zurück- München, den 17. Mai 1850
zukehren und wieder Genrestücke zu malen, Bester Freund!
bis eine glücklichere Gelegenheit kommt oder Das Project, nach Wien zu gehen, ist eine
wahrscheinlich auch nicht kommt. Gelingt Sache, zu der ich mich noch immer nicht
mir's schlechter Zeitumstände halber nicht entschließen kann; ich werde euch besuchen
mehr, so gehe ich nach Amerika, es müßt und dann überlegen, was sich thun läßt, wenn
denn wider mein Erwarten in Wien etwas mög- ichdasTerrainrecognoscirthabe. Ich lebtezwar
lieh werden, welches ich sehr bezweifle. Uebri- sehr gerne mit meinen Freunden, aber Wien
gens habe ich gewiß mehr Freunde, wenn ich hat mir noch nie Glück gebracht, und ich
abwesend bin, als wenn ich dort wäre. Wenn bin abergläubisch dagegen, und jetzt dieses
du mir etwas zu wirken weißt, thue es, ich Pfaffenregiment und all die Nazarener in der
wäre sehr zufrieden, einen tüchtigen Wirkungs- Glorie, ich glaube kaum, daß ich was auszu-
kreis zu erstreben; allein mich selbst auf- richten vermag. Ich bin sehr melancholisch;
geben werde ich nie, und als ICH in Wien Alles, was ich seit vielen Jahren mit An-
leben und wirken! strengung erlernt habe, nützt nichts, weil es
Dein Freund stets C. Rahl weder dem Genius der Zeit, noch den Wün-
Nachschrift. Uebrigens äußere dich über sehen der Künstler gefällt, und da nur Rom
Schwind's Brief gar nicht, man muß froh sein, für solches Gegen-den-Strom-Schwimmen ein
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FRITZ KLIMSCH <s BILDNISBÜSTE FRAU NELLY HERZ
XXII. Ausstellung der Berliner Seccssion
das Publicum anfange, so zu werden, daß es für einen Lumpen zu gelten, ohne einen spie-
von einem solchen Künstler nichts ankaufe. len zu müssen.
Du kannst dir denken, was ich zu arbeiten
habe. Meine Absicht ist, nach Rom zurück- München, den 17. Mai 1850
zukehren und wieder Genrestücke zu malen, Bester Freund!
bis eine glücklichere Gelegenheit kommt oder Das Project, nach Wien zu gehen, ist eine
wahrscheinlich auch nicht kommt. Gelingt Sache, zu der ich mich noch immer nicht
mir's schlechter Zeitumstände halber nicht entschließen kann; ich werde euch besuchen
mehr, so gehe ich nach Amerika, es müßt und dann überlegen, was sich thun läßt, wenn
denn wider mein Erwarten in Wien etwas mög- ichdasTerrainrecognoscirthabe. Ich lebtezwar
lieh werden, welches ich sehr bezweifle. Uebri- sehr gerne mit meinen Freunden, aber Wien
gens habe ich gewiß mehr Freunde, wenn ich hat mir noch nie Glück gebracht, und ich
abwesend bin, als wenn ich dort wäre. Wenn bin abergläubisch dagegen, und jetzt dieses
du mir etwas zu wirken weißt, thue es, ich Pfaffenregiment und all die Nazarener in der
wäre sehr zufrieden, einen tüchtigen Wirkungs- Glorie, ich glaube kaum, daß ich was auszu-
kreis zu erstreben; allein mich selbst auf- richten vermag. Ich bin sehr melancholisch;
geben werde ich nie, und als ICH in Wien Alles, was ich seit vielen Jahren mit An-
leben und wirken! strengung erlernt habe, nützt nichts, weil es
Dein Freund stets C. Rahl weder dem Genius der Zeit, noch den Wün-
Nachschrift. Uebrigens äußere dich über sehen der Künstler gefällt, und da nur Rom
Schwind's Brief gar nicht, man muß froh sein, für solches Gegen-den-Strom-Schwimmen ein
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