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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Wolf, Georg Jacob: Der Müchner Glaspalast 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0565

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DER MÜNCHNER GLASPALAST 1911

beliebten Niederländer-Manier gezeichnet,
wie geschmackvoll ist des Malers Palette,
wie gelungen sind psychologische Züge den
Bildnissen eingefügt! Erst im letzten Jahr-
zehnt scheint das Niveau malerischer Kul-
tur bei Erdtelt etwas gesunken zu sein;
offenbar hatte auch ihn der junge, sieg-
reiche Impressionismus verwirrt; er be-
gann heller und dünner zu malen, machte
Kompromisse und geriet dadurch in die
Enge. Der Impressionismus verlangt die
ganze Persönlichkeit, er ist kein beliebig
abzuwandelndes Malschema, sondern ein
künstlerisches Lebensprogramm. . . Bär
und Pernat vermögen uns weniger zu
fesseln, ihre Kollektionen sind offenbar
nicht sehr glücklich ausgewählt worden,
und fast das nämliche möchte ich von
Ludwig Willroider behaupten; zu min-
dest läßt diese Serie meist kleinerer, stu-
dienhafter Landschaften den geliebten Mei-
ster nur für den Eingeweihten in ganzer
Wirksamkeit auferstehen.

Zahlreiche Gastgruppen sind auch die-
ses Jahr von auswärts und aus München
erschienen. Ueber die Badenser, Berliner,
Düsseldorfer, Frankfurter und Schleswig-
Holsteiner nach der Qualität und dem En-
semble der hier ausgestellten Werke zu
urteilen, erschiene mir nicht sehr gerecht.
Diese Kunststädte haben stärkere arti-
stische Potenzen als man nach den Kollek-
tionen im Glaspalast anzunehmen geneigt
ist und wer Ausstellungen dieser Gruppen
an Ort und Stelle besucht, kommt zu er-
freulicheren Konstatierungen, als sie auf
Grund der im Glaspalast gezeigten Objekte
oskar STÖSSEL bildnis. radierung möglich sind.

Wiener Künstlerhaus-Ausstellung 1911 Etwas erfrischender als die Kollektionen

wirkt die Gruppe derer von Weimar, und
bei den Schotten freut man sich, fest-
Materielle der Ausstellung nicht zu dieser Bezeich- stellen zu können, daß eine alte malerische Tradi-
nung. Der Durchschnitt ist im allgemeinen der tion, deren Wurzeln bis auf Constable greifen, auch
früherer Jahre und auch sonst gibt es keine Ueber- mittlere Talente zu respektabler Höhe zu fördern
raschungen, die der Jahresausstellung ein besonders vermag.

festliches Gepräge geben, ihr den Stempel des Außer- Von den Münchner Gästen, die mit eigener Jury

ordentlichen aufdrücken. Es ist vielmehr so ziem- zur Ausstellung zogen, interessiert, wie gewöhnlich,
lieh wie alle Jahre: ein paar Gedächtnisausstellungen, die „Scholle" am stärksten. Wuchtige dekorative Wir-
die unsere geschichtlichen Kenntnisse in angenehme kung tun die beiden freskoartig behandelten Bil-
Schwingung versetzen, sonst die bisherige Verteilung der Fritz Erlers, die Motive Ariostos in eine sehr
der Säle und im großen und ganzen die gewohnte Auf- freie Sprache der Kunst übersetzen. Von vollen-
machung. Dies gilt besonders für die Säle der Künst- deter Anmut und berückender Großartigkeit der Ma-
lergenossenschaft, aus denen wir Franz von De- lerei ist ein lebensgroßes Damenbildnis in Weiß,
fregger, Georg Papperitz, Franz SIMM, Hans das Leo Putzens pikantem Pinsel entflossen ist.
von Petersen, Josef Wenglein, August Fink, Puttners eminente koloristische Kunst, die sich
Alexander v. Wagner, Carl Seiler, Paul ungestraft die kühnsten Experimente erlauben darf,
Ehrhardt, Ludwig von Langenmantel, Otto ist auch diesmal in einer Weise vertreten, daß man
Strützel, Walther Firle nennen, um wenigstens sichderKonstatierungnichtentschlagen kann,Püttner
einige der Hauptstützen der die Ausstellung veranstal- sei der malerischste der „Scholle"-Maler. Besonders
tenden Künstlergruppe anzuführen. Gedächtnisaus- erfreut das stärkere Hervortreten Adolf Höfers,
Stellungen hat man für Pernat, Bär, Willroider und Erd- der sich bisher mehr im Hintertreffen seiner Gruppe
telt arrangiert. Die erdtelt-Kollektion ist zweifellos hielt. Ist seine Kunst auch nicht von der faszi-
die künstlerisch wertvollste, an Eindrücken reichste, nierenden Originalität der Führer, so gebührt Höfer
an Aufschlüssen wichtigste. Man hat ihr im söge- doch uneingeschränkte Anerkennung für seine ge-
nannten Kaulbach - Kabinett einen wohlverdienten radezu spielende Beherrschung der Technik, für
Ehrenplatz eingeräumt. Zumal die früheren Arbei- seinen koloristischen Geschmack, für das wunder-
ten Erdtelts, die eine nahe Verwandtschaft mit den volle Exterieur seiner Arbeiten. Erich Erlers
besten Leistungen der Diez-Schule unumwunden „Kruzifixus", ein Werk, das entfernt an Egger-Lienz
zugestehen, haben meinen aufrichtigen Beifall. Wie gemahnt, hebe ich aus der stattlichen Anzahl der
flott sind diese Genre-Studienköpfe in der damals Qualitätsarbeiten der „Scholle" noch besonders her-

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