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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Barth, Hans: Die römische Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0568

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DIE RÖMISCHE KUNSTAUSSTELLUNG

dene Mänade. In der Skulptur Dupont mit
einer famosen Pferdegruppe und Rousseaus
„Jüngling über der Maske Beethovens sin-
nend". Neben Belgien das im echt russischen
Kuppelstil erbaute Haus des Moskoviterlandes,
dessen Kunst sich in Rom sehr gut präsen-
tiert. Zumal in Porträt und Genre, wo wir
Kiselewas Bäuerinnen mit Kostümen in
allen Nuancen von Rot erwähnen, ferner Kou-
stodieffs jungen Mastbürger mit einem Ant-
litz, das einem Sänger der Capella Sistina wohl
anstünde, sowie elegante Damenporträts von
Krzyzanowski und Makowski. Lieber sie
alle ragen natürlich die zwei Großen hervor,
die ihre eigenen Säle haben, und mit Recht.
Repin mit einer Menge seiner herrlichen Bild-
nisse berühmter und unberühmter Zeitge-
nossen, darunter Tolstoi in verschiedenen Po-
sen, und Serow, der in Rom hauptsächlich
durch seine originell aufgefaßte Ida Rubin-
stein fesselt. Von großer Poesie ist Du-
bowskis melancholische Landschaft aus der
Akademie der schönen Künste in St. Peters-
burg. Die Bildhauerei ist vertreten u.a. durch
Bernstamm (Flaubert), Guensburg (Tolstoi
und Antokolski) und Trubetzkoi mit Reiter-
statuetten Alexanders II. und Tolstois. Auf
den russischen Kuppelbau folgt das elegante
Landhaus (böse Menschen sagen auch „Waren-
haus") Oesterreichs, das gleichwie das Haus
Deutschlands in diesem Blatte an besonderer
Stelle behandelt werden soll. Einen eigenen
Komplex gewissermaßen bilden die Häuser
Serbiens, Ungarns und Frankreichs. Serbien,
im assyrischen Tempelstil, ist eigentlich nur
Domäne des Kroaten Mestrovic, dessen
teils von archaistischer Barbarei, teils von
Michelangiolesker Wucht erfüllte seltsame
Gebilde die slavische Sagenwelt, zumal den
Kampf des Serbentums gegen den Halbmond,
behandeln. Sind es menschliche Weiber, diese
merkwürdig geformten Niobiden, die in bizar-
ren Stellungen am Boden kauern, ob den Ge-
fallenen klagend oder auf abgehauene Glied-
massen der Toten gebeugt, die sie in Händen

halten? Und diese Männer! Jeder eine fast hans dietrich beethoven
obszöne Herkuleskarikatur! Jener Attilaähn- Wiener KänstUrhans-Aassteiiang ,911

liehe Heerfürst, der wie eine Tigerkatze

auf einem Monstregaule hockt, der mehr als ein Stock- Schulen recht übersichtlich zur Anschauung bringt,
werk hoch ist! Ein unglaubliches Können, eine künst- Zwei Säle sind—John Bull ist schlau! — den gro-
lerische Urkraft, deren Schöpfungen nicht für ein ßen Malern der Vergangenheit gewidmet, den Rey-
kulturgezähmtes europäisches Publikum des zwanzig- nolds (Kitty Fisher mit dem goldig-schimmernden
sten Jahrhunderts, sondern für Tiermenschen der Braunhaar und dem Täubchen im Schoß, und Mary
Vorwelt bestimmt scheinen ... Man atmet förmlich Palmers mit dem weißen Turban und dem weißen
auf, wenn man von Serbien aus die Häuser Frank- Gewand, eine entfernteVerwandte der armen Beatrice
reichs und Ungarns betritt. In letzterem bewundert Cenci), dann Gainsborough (u.a. Selbstporträt und
man von Munkäcsy und Paal an die besten Ge- Gewitterlandschaft mit Kühen), Lawrence, Hopp-
mälde ungarischer Künstler, darunter natürlich ner, Romney (mit dem Bacchantenköpfchen seiner
Szinyei mit seinem „Picknick auf der Wiese", Csök Freundin Lady Hamilton), Raeburn (Lord Mac Nab),
mit weiblichen Akten, Benczur mit der „Huldigung Turner, Constable mit Landschaften, Wilkie mit
derUngarn vor Franz Joseph", Läszlo mit Porträts, fast holländischen Wirtshausbildern und Hogarth
dann Perlmutter, Poll u. a. Weniger spricht der mit einer Verführungsszene und einer Kartenpartie.
Französische Palast an, der einige gute Bilder Bes- In anderen Sälen Dante Rossetti, Burne Jones,
nards, Carolus Durans und Rolls, sowie Skulp- Brangwyn, AlmaTadema, Herkomer, Orchard-
turen Rodins („L'homme qui marche" und Karya- son, bis auf die modernen und modernsten, die
tide),außerdem abereineUnmengedesMittelmäßigen sich wie eine Armee von Heuschrecken auf die
enthält und durch das höchst unglückliche Hängen blühenden Gefilde der Alten niederlassen. Die in
der Bilder verstimmt. Besser gefällt in dieser Hin- England gegen alles Reglement so großartig ver-
sieht England, dessen Renaissance-Palast sich über tretene retrospektive Kunst fehlt in dem Ameri-
dem deutschen Hause erhebt und die einzelnen kanischen Farmerhaus (die Ausstellung der Vereinig-

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