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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Raupp, Karl: Künstlerleben der sechziger Jahre auf dem Lande und in der Stadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0584

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KUNSTLERLEBEN DER SECHZIGER JAHRE AUF DEM LANDE UND IN DER STADT

WALTER PETERSEN SELBSTBILD IN1 IS

Aas der deutschen Ausstellung Rom 1911

alten und neuen Bekannten amüsierend. Im
Frühjahr 1860 jedoch hieß es dringend: „Nach
München zurück!" Ich wollte doch meinen An-
spruch auf einen Platz bei Piloty nicht ver-
lieren.

Um der Pilotyschule Platz zu schaffen, ward
endlich in der Akademie gebaut. Bis zur Fer-
tigstellung sollten Ateliers in der Stadt gemietet
werden. Aber das alles war erst im Herbst zu
erwarten, bis dahin also, in Gottes Namen,
nach Brannenburg am Inn, nicht weit von
Rosenheim. Das war damals die richtige Künst-
lerkolonie und stark besucht, von München
sowohl als von Düsseldorf.

Brannenburg, eine Stunde vom Inn, Neu-
beuern gegenüber am Fuße der Berge gelegen,
ist vornehmlich durch seine schönen Bäume,
prachtvolle Eichen, wie durch malerische De-
tails in dem von einem Gebirgsbach durch-
strömten Tal, „Grund" geheißen und der so-
genannten Biber, unter den Malern in Auf-
nahme gekommen. Zur Sommerszeit bis tief
in den Herbst waren es immer nahezu zwanzig
Künstler, die mit viel Witz und Humor Brannen-
burg und seine Umgebung belebten. Die Mal-
schirme, die man allenthalben sah, gehörten
zur Landschaft und der Ruf des munteren
Lebens der fröhlichen Maler drang weit hinaus

und zog manche Fremde zu längerem Aufent-
halte gleichfalls dorthin.

Es war ein eigentümliches Leben da. Das
große Wirtshaus hatte sich hauptsächlich auf
die Künstler eingerichtet und diese waren auch
die Herren darin; wir haben das ganze Haus
manchmal um und um gedreht. Entgegen den
meisten altbayerischen Wirtsleuten war hier die
Aufnahme eine überaus freundliche und gast-
liche und ein schon bekannter Gast wurde vom
ganzen Personal des Wirtshauses bei der Wie-
derkehr mit lautem herzlichem Willkomm emp-
fangen und bei der Abreise tönten ihm die
Juchzer und Juhschreie noch lange nach. Nur
der dicke Wirt machte eine Ausnahme, der
saß stumm und stumpf meist auf der Bank
vor dem Hause, kümmerte sich um nichts, war
eine Null! Die Wirtin war das Gegenteil, trotz
ihres Alters immer flink, munter und fleißig,
mit ihren beiden Töchtern regierte sie Haus
und Geschäft. Wie bei allen bayerischen Wirts-
häusern waren an den beiden entgegengesetzten
Giebeln breite Balkone angebracht, die in der
ganzen Tiefe des Hauses durch einen langen
Gang verbunden waren. Links und rechts von
diesem Gang führten viele Türen in ebenso-
viele kleine Kammern, deren Fensterchen auf

AUGUSTGEBHARD IMGARTEN
Aas der deutschen Aussiedlung Rom 1911

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