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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Raupp, Karl: Künstlerleben der sechziger Jahre auf dem Lande und in der Stadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0589

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KÜNSTLERLEBEN DER SECHZIGER JAHRE AUF DEM LANDE UND IN DER STADT

nach rechts folgen ließ. Er lag dabei mit den lerschaft traf sich nun morgens beim Früh-
Füßen nach den Zuschauern. Was aber die stück im Cafe Probst, dem damals einzigen
drastische Wirkung und den Beifall für die Cafe in dieser Gegend und an Raum wie an
schauspielerische Leistung wesentlich erhöhte, Ausstattung 1860/61 eine Sehenswürdigkeit,
war ein Toilettendefekt, von dem das sterbende Man traf sich ferner dort nach Tisch und
Ritterfräulein nichts ahnte. Der lange Land- meist auch im Winter abends, wenn die frühe
aufenthalt hatte auch bei Cohn die Fußbeklei- Dunkelheit das Arbeiten verbot, von 5—7 Uhr,
dung Not leiden lassen und als die Pantoffel ehe die Kneipe in ihre Rechte trat. Zerstreu-
flogen, schauten aus den grauen Strümpfen ungen bot die bayerische Residenz wenig. Außer
neugierig links und rechts die großen Zehen Hof- und Residenztheater befand sich in der
heraus. Lachen und Beifall. Kurz vor Beginn Müllerstraße, da wo jetzt das Kolosseum steht,
des Stückes waren aber einige der Flinsbacher das Volkstheater, eine Bühne geringster Gat-
Schauspieler erschienen, um sich nun ihrer- tung. Im Englischen Cafe, jetzt Kaufhaus
seits die Leistungen der Maler anzusehen und Bernheimer, konzertierte im Winter im Saal,
fachmännische Kritik zu üben. Der Herr Di- im Sommer im vorliegenden Garten die Ka-
rektor war wütend, die Maler hatten ihm sein pelle ä la Gungl, als einzige Betätigung in
bestes Stück verdorben. Der Ball folgte, ein dieser Richtung. Einmal im Jahr erschien in
Wirbeln und Walzen, seelenvergnügt — auch höchsteigener Person der Kapellmeister Gungl,
die zugereiste junge Dame flog von einem Arm in seiner österreichischen Militärmusikeruni-
in den andern und amüsierte sich gottvoll. form in München und dirigierte eine Anzahl Kon-

Als die Schauspieler und Tänzer am andern zerte, stets unter einem strahlenden Bogen
Tag spät aufstanden, erfuhren sie, daß der alte von Gasflämmchen über seinem Haupt und
Herr mit seiner hübschen, munteren Tochter Pult. Es war dann die große Zeit für die
schonwiederabgereistsei. EineVorstellunghatte Kapelle ä la Gungl. (Der Schluß folgt)

nicht stattgefunden, jetzt wollte man
aber den Namen der Verschwun-
denen gerne wissen. Das Fremden-
buch her! Da stand denn noch mit
frischer Schrift: „Weinwirt Michel
mitTochterausMünchen!" Undman
hatte den ganzen Abend mit „Gift
von Michel in München" vergiftet!

Ich blieb bis Mitte Oktober in
Brannenburg. Kälte und Schnee, der
uns eines Morgens überraschte,
scheuchte aber endlich in das Win-
terquartier nach München. Nur Jo-
seph Willroider hielt noch aus, ihn
hatten die Augen Walperls nicht
ziehen lassen. Er schmachtete, wie
ich glaube, vergebens. Aber im No-
vember erschien auch er in der
Stadt. In München trafen sich dann
die Bekannten von Brannenburg
her, K. Ludwig, Fröhlicher, der
Schweizer, Braith, Käppis, Will-
roider, dazu kamen Gebler, Mali,
Ebert und noch viele andere. Da-
mals wohnten die meisten Künstler
in der Schwanthalerstraße oder in
deren Nachbarschaft. Ich hatte beim
ehrwürdigen Altmeister Klein, dem
Pferdemaler und Radierer, ein Zim-
mer gemietet und wohnte nun eben-
falls in der Schwanthalerstraße.

Nahezu die ganze ledige KÜnSt- Aus der deutschen Ausstellung Rom 1911

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